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„United Colours of Poetry“

■ Eine Woche „Wall-Poesie“, gesehen von Buchhändlerin und Verlegerin Bettina Wassmann

Es macht schon Spaß, ihr zuzuhören, wenn sie über die „städteplanerische Lieblosigkeit“ schimpft, die den Wall zur autobefahrendsten Einkaufsstraße Bremens gemacht hat und die Rolltreppenpleite in der Bischofsnadel zum „traumatischen Flop“. Bettina Wassmann, Verlegerin und Inhaberin eines kleinen, spannend überfüllten Buchladens, hat guten Grund zur Empörung.

Sie gehört zur „Wallgemeinschaft“, einem Zusammenschluß von Bremer EinzelhändlerInnen, die ihre Läden am Wall haben und seit über einem Jahr versuchen, die Einkaufsflaneure in ihre architektonisch stiefmütterlich behandelte Straße zu ziehen. „Diese Pollerkultur, widerlich! Und Parkuhren direkt vor den Ladentüren. Wir haben jetzt zum Fanal geblasen. Die 'Wallmeile' ist aufgewacht! Wir lassen nicht mehr die beste Straße Bremens durch politische Fehlentscheidungen zur Peripherie machen.“

Nach der Aktion „Kunstmeile“, bei der KünstlerInnen der HdK Sulpturen am Wall entlang aufstellten (die allerdings zu einem guten Teil geklaut oder zerstört worden sind), heißt das Motto nun „Wall-Poesie“. Vom 8. bis zum 14. November gibt sich der Wall als „Literaturmeile“, mit Vorträgen und Lesungen. Gibt es ein verbindendes Thema? Bettina Wassmann macht eine breit abwehrende Geste: „Muß man immer gleich ein Thema haben? Ich hasse thematische Reihen! Es geht ganz einfach um Bücher, um Verleger, um Autoren.“ Es kommt zum Beispiel der Berliner Verleger Klaus Wagenbach („mit ihm verbindet mich eine 30-jährige Freundschaft, mit viel Disput, mit allem Auf und Ab“), dessen wacker unkonventineller Verlag das Vorbild für den Bettina- Wassmann-Verlag war. „Wie überlebt man gute Bücher“ ist der rätselhafte Titel seines Vortrages am 8. November im Gerhard Marcks Haus: „Ich muß selbst hingehen, um zu erfahren, worum es geht“, sagt Bettina Wassmann, „auf jeden Fall ist das ein Mann, der eine entwickelte Lebensarbeit geleistet hat. Ich übrigens auch, nur, er schreibt selber, ich aber rede selber...“

Und Spiegel-Kulturredakteur Hellmuth Karasek liest am 12. November aus seinem Buch über den Regisseur Billy Wilder: „Literarisches Quartett hin, Karaseks Reden her, wer sowas macht wie die Gespräche mit Wilder, der ist ein treuer Vasall!“

Was empfiehlt Bettina Wassmann noch? Den Vortrag des Hölderlin-Herausgebers D.E. Sattler, der eine leichter lesbare Extra „Bremer Ausgabe“ vorstellen wird. Und — vor allem — die Lesung der genialen Wortmeisterin Ursula Meyer-Papst, deren Buch „Haiku / Anagramme“ im Wassmann-Verlag erschienen ist. „Zu der Frau will ich nichts weiter sagen. Wenn die selber liest, dann fällt man um.“

Die Einzelhändler-„Wallgemeinschaft“ hat ein atemberaubend gesamtkunstwerklich es Spektrum. Im nächsten Frühling soll der Wall eine Metamorphose zur „Musikmeile“ machen. „Ja“, sagt Bettina Wassmann fröhlich, „jedes Jahr werden die Karten neu gemischt. Regelmäßigkeit ist uns zuwider. 'Ins Offene', wie Hölderlin sagt — oder war es Woody Allan?“

Solange es jedenfalls nicht eine gewisse Firma ist, auf deren Slogan im ausführlichen Programmheft „WallStreet“ mit der Überschrift „United Colours of Poetry“ angespielt wird, solange mag Bremen ruhig unbefangen neugierig sein, ob der Wall tatsächlich an seine Geschichte als „Kulturmeile“ anschließen kann. Cornelia Kurth

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