: Eine "erste Adresse"
■ betr.: "Glaubenskrieg umein Chamäleon", taz vom 27.10.92
Betr.: „Glaubenskrieg um ein Chamäleon“, taz vom 27.10.92
Gar trefflich ist dieser zoologische Vergleich! Ohne ihre Identität zu verlieren, passen diese Echsen ihre Farbe der Umgebung an – ein erfolgreicher Überlebensmechanismus. So und nicht anders lebte man in der DDR. Ein Gesicht für die Vertrauten, ein anderes nach außen.
Nach allgemeiner Lebenserfahrung ist der Weg mit dem Kopf durch die Wand zwar der kürzeste, aber selten der erfolgreichste. Da ist es schon besser, die eigene Position zu erkennen und entsprechend zu agieren. Mitarbeiter oder Chef, Verkäufer oder Kunde, David oder Goliath. Der Kirchendiplomat Stolpe war der Obrigkeit gegenüber zweifellos ein David, sogar ohne Schleuder. Mit der Sprache der Opposition wäre er nicht weit gekommen.
Die Sprache des Systems zu beherrschen und anzuwenden, Matthias Geis nennt das „labern, lavieren, sich angleichen“. Dabei war diese Fähigkeit weit verbreitet und ist auch ein Pluspunkt für Manfred Stolpe. Herr Geis hat sie nur falsch eingeordnet, denn perfiderweise empfiehlt er ja das Sammeln von Pluspunkten, um damit Stolpe einen Strick zu drehen. „In der Kontinuität... liegt das Problem. Allemal ein lohnenderes Thema als die Sache mit der Verdienstmedaille.“
Klarer Fall: „Die Dämonisierung seiner Vergangenheit“ hat nicht funktioniert, Wiegand bot nur „groteske Auslassungen“. Wie ärgerlich, vielleicht vergaß jemand ihn zu bezahlen, wie den nicht erwähnten Roßberg. Nun soll es also über die „Kontinuität“ laufen.
Kontinuität im Falle Stolpe heißt aber für mich und viele andere: Fortiter in re, suaviter in modo. Zu Deutsch: klar in der Sache, mit Stehvermögen und dabei verbindlich und flexibel, „Eskalation vermeidend“. Kurzum – ein Politiker, ein Diplomat, ein Ossi am rechten Platz. Und sicherlich eine „erste Adresse“. Dr. Gerd Bährecke,
Hattersheim
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen