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Das paßt zum Trend-betr.: "Unsere Ökonomiee zerstört uns" von Herbert Gruhl (Ökolumne), taz vom 31.10.92

betr.: „Unsere Ökonomie zerstört uns“ von Herbert Gruhl (Ökolumne), taz vom 31.10.92

In der neu eingerichteten „Ökolumne“ muß eine so prominente Mumie wie Herbert Gruhl natürlich auch einmal aufgebahrt werden. [...] Es ist nicht zuletzt diesem Autor zu verdanken, daß die Legende von der Überbevölkerung als der wichtigsten Ursache der globalen Umweltmisere heute für viele zur ökopolitischen Grundüberzeugung gehört. Überbevölkert sind in diesem Weltbild selbstverständlich nur die „Entwicklungsländer“ und nicht „wir“.

Dabei liegt es eigentlich auf der Hand: „Bevölkerung“ – Einwohner pro Fläche – ist eine statistische Größe, „Über-Bevölkerung“ dagegen eine Bewertung, denn damit wird ausgedrückt, daß man welche für überzählig hält. Doch wie zählt man nun die, die über sind; welchen Maßstab legt man an, um zu bemessen, wer diese Erde lediglich bevölkert und wer sie überbevölkert?

Sinnvollerweise müßte man anhand von Parametern, ähnlich den folgenden, vergleichen: Statistischer Pro-Kopf-Verbrauch an Raum, Energie, Nahrung und Wasser innerhalb eines Landes oder Kontinents. Man würde natürlich sofort feststellen, daß ein durchschnittlicher Westeuropäer oder eine durchschnittliche Nordamerikanerin an einem einzigen Tag mehr von all diesen genannten Ressourcen nutzt, als einer indischen und afrikanischen Familie für die Woche, wenn nicht für den Monat zur Verfügung steht. Wer bevölkert also über?

Natürlich doch die Bimbos, denn sie, die „armen Völker der Erde“ (Gruhl), werfen nach wie vor wie die Karnickel, obwohl man ihnen eigentlich „die Utopie des immer besseren Lebens für immer mehr Menschen“ (Gruhl) ausgetrieben hat. Aber was soll man reden, „sie stellen inzwischen 80 Prozent der Weltbevölkerung, und ihr Anteil nimmt weiter zu, was zu wachsendem Elend führt“ (Gruhl). Nicht die Armut ist das globale Ökoproblem, sondern die Armen sind es selbst, diese „anflutenden Menschenmassen“ (Gruhl).

Das paßt zum Trend, und insofern ist Herbert Gruhl, den man in harmloseren Zeiten einen Wertkonservativen geheißen hat, leider doch keine Mumie. Ulrich Holberg, Berlin

Mit Verwunderung stelle ich fest, daß in „meiner“ hochgeachteten taz ein Artikel des äußerst rechts stehenden Herbert Gruhl abgedruckt ist. taz-gemäß drückt er sich auch sehr vorsichtig aus: „80 Prozent der Weltbevölkerung durch Vermehrung der armen Völker“, „anflutende Menschenmassen“, etc.

Wer Herbert Gruhl kennt, weiß, wie er diese, an sich nicht zu leugnenden Tatsachen interpretiert haben möchte.

Ich hoffe, daß die einzige linke Tageszeitung Deutschlands nicht ein Forum für rechte Profilneurotiker wird! Gudrun Gratz-Fister, Mannheim

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