: „Handfeuerwaffen für Stammeskrieger“
■ Kunden aus aller Welt wurden mit allen erdenklichen Waffen beliefert, selbst zerstrittenen PLO-Parteien. IMES beschaffte aber auch für den DDR-Markt
Der frühere Generaldirektor der DDR-Waffenhandelsfirma IMES, Erhard Wiechert, sagte gestern vor dem Schalck-Untersuchungsausschuß über deren Geschäfte mit westlichen Waffenhändlern und Firmen, aber auch mit nahöstlichen Terroristengruppen aus. Die IMES unterstand Alexander Schalck-Golodkowski, wurde „zur Erwirtschaftung zusätzlicher Devisen“ gegründet und arbeitete eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit, einschließlich dessen Auslandsspionage HVA, zusammen. Zum Kundenstamm gehörten bald die schillerndsten Typen der internationalen Waffenhändler-Szene, etwa der Syrer Nicola B. Nicola, der von IMES mehrfach Schießkram kaufte und diesen in Mafiamanier in umgebauten Mercedes-Tanklastwagen mit westdeutschen Zollkennzeichen nach Nordjemen schmuggelte. Angeblich waren die Handfeuerwaffen dort für „Stammeskrieger“ bestimmt, berichtete Wiechert, bei denen die Kalaschnikow hoch im Kurs stand. Aus Akten der Karlsruher Generalbundesanwaltschaft geht hervor, daß Nicola tief in den internationalen Terrorismus verstrickt ist und an Sprengstoffanschlägen gegen amerikanische Einrichtungen mitgewirkt haben soll.
IMES-Dokumente weisen ferner Nicolas Landsmann Monzer Al Kassar, ein international mehrfach verurteilter Waffen- und Drogenhändler, der derzeit in Madrid im Gefängnis sitzt, als Kontaktperson aus. Die diversen, sich zum Teil militärisch bekämpfenden Fraktionen der PLO wurden ganz ausgewogen unter den Kürzeln PLO I, PLO II und PLO III gleichzeitig bedient. Auch mit dem Terroristenführer Abu Nidal blühten die Geschäfte. Dessen Handelsfirma Zibado unterhielt in Ostberlin ein eigenes Büro.
Doch IMES kooperierte nicht nur mit solchen „wilden Typen“ (Wiechert), sondern auch mit renommierten West-Konzernen. Die Munitionshersteller Hirtenberger in Österreich und Bofors in Schweden wickelten umfangreiche Geschäfte mit dem Iran über die DDR ab, um die heimischen Exportverbote in Kriegsregionen zu umgehen. Natürlich gegen üppige Provisionen für Schalcks Zwischenhändler. Selbst Einkäufer der CIA konnten sich in Ostberlin eindecken: Der deutsche, in Genf ansässige Waffenhändler Heinz Pollmann orderte 1.500 Kalaschnikow-Gewehre, die im Sommer 1985 in Rostock, unter LKWs als Ersatzteile getarnt, mit dem Frachter „Pia Vesta“ nach Mittelamerika verschifft wurden. In Panama wurde der Dampfer aufgebracht; der Deal flog auf und sorgte für weltweite Schlagzeilen. Ostberlin witterte eine CIA-Intrige hinter der Affäre. Trotzdem hielt IMES bis kurz vor der Wende mit Pollmann Kontakt.
Die IMES vermakelte nicht nur Waffen in alle Welt, sondern beschaffte im Westen über ihre Tochterfirma WITRA auch Spezialwaffen und Militärtechnik. Über Abu Nidals Zibado wurden mit gefälschten Enduser-Bescheinigungen sogenannte Anti-Aufruhr- Waffen des britischen Rüstungskonzerns Royal Ordnance in die DDR geschmuggelt – an Sondereinheiten des MfS. Wiechert bestätigte, daß die IMES mit Hilfe des westdeutschen Waffenschiebers Karl-Heinz Schulz auch Spezial- Polizeiwaffen des schwäbischen Herstellers Heckler & Koch beschaffte. Leider mochte der CDU- Vorsitzende Friedrich Vogel dazu nicht nachhaken. tosch
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