: Brandanschlag vor geplantem Wohnheim
■ In Lichtenberg sollen 100 Angehörige von Flüchtlingsfamilien aus dem ehemaligen Jugoslawien untergebracht werden/ Auto und Müllcontainer brannten
Lichtenberg. Vor dem geplanten Flüchtlingswohnheim in der Rudolf-Seiffert-Straße in Lichtenberg ist in der Nacht von Freitag auf Samstag ein Pkw der Marke „Nissan“ abgebrannt. Außerdem wurden ein Recycling-Container angezündet und mehrere Mülltonnen umgeschmissen. Wie die Gesundheits- und Umweltstadträtin Gabriele Majewski (PDS) gestern gegenüber der taz erklärte, hätten Anwohner eine Gruppe Jugendlicher beobachtet, die mit „Sieg- Heil“-Rufen zum Gebäude gezogen seien.
Unmut erregte nach Angaben von Majewski das Verhalten der Feuerwehr: Anwohnern zufolge seien die Löscharbeiten erst eine Stunde nach dem Alarm erfolgt. Von der Polizei war zu dem Vorfall gestern keine Stellungnahme zu erhalten.
Der Anschlag fand wenige Stunden vor einem seit einigen Tagen öffentlich bekannten Besuch des Gebäudes durch Kommunalpolitiker und Anwohner statt. Ihnen habe sich am Samstag ein „Bild der Verwüstung“ geboten, hieß es in einer Mitteilung des Bezirksamtes. Nach Angaben von Majewski, die an der Begehung teilgenommen hatte, wurde allerdings das Gebäude selbst nicht beschädigt. Die Verwüstungen hätten nicht vor dem vorgesehenen Heim, sondern vor einer Kindertagesstätte stattgefunden, die in demselben vierteiligen, zweigeschössigen Neubau untergebracht sei. Unmittelbar neben der Kita – in der Hausnummer 50 und 50a – will der Bezirk demnächst rund 100 Angehörige von bosnischen und serbischen Flüchtlingsfamilien unterbringen. Als Betreiber des Heimes ist die Charlottenburger Firma „Sorat, Gesellschaft für die Einrichtung und den Betrieb von Wohnheimen“ vorgesehen. Sie ist seit rund zehn Jahren auf diesem Gebiet tätig und betreut derzeit 20 Wohnheime in Berlin und Brandenburg mit rund 4.000 Ausländern.
Gegen das Wohnheim in Lichtenberg hatten sich am Donnerstag vergangener Woche rund 300 Einwohner auf einer Bürgerversammlung ausgesprochen. In Anspielung auf die Rostocker Pogrome befürchteten sie ein „Lichtenhagen in Lichtenberg“. Außerdem wurden massive Zweifel laut, ob die Polizei in der Lage ist, für die Sicherheit der Flüchtlinge zu sorgen.
Für den 23. November ist eine erneute Bürgerversammlung in Lichtenberg vorgesehen. Bezirksbürgermeister Gottfried Mucha (Bündnis 90) will nach wie vor am Standort in der Rudolf-Seiffert- Straße festhalten. Es sei das einzige Objekt im Umkreis, das in bezirklicher Verantwortung zur Verfügung gestellt werden könne. PDS- Stadträtin Majewski betonte hingegen, eine Entscheidung darüber sei derzeit „völlig offen“. Nach den letzten Ereignissen halte sie eine Unterbringung der Flüchtlinge in der Seiffert-Straße für „recht unwahrscheinlich“. Der Bezirk werde nochmals andere Standorte prüfen müssen. sev
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen