Fünf Freunde kennen die Antwort

■ Das "Büro für Auskunft" beantwortet per Telefon die Frage, wann der Eierbecher erfunden wurde und wie das Dorf "Verlorenort" zu seinem Namen kam

Berlin. Wo darf man eine Modell-Feststoffrakete abschießen? Wann hat die uruguayische Eisenbahn den Betrieb eingestellt? Und wie kam das Dorf „Verlorenort“ im Kreis Oranienburg zu seinem traurigen Namen? Die fünf Freunde kennen die Antwort. Seit eineinhalb Jahren bearbeitet die Gruppe von fünf Industriedesign- und Informationswissenschafts- Studenten per Telefon all jene interessanten Fragen, auf die die Auskunft der Bundespost leider keine Antwort zu geben weiß.

Das „Büro für Auskunft“ auf dem alten Zeiss-Fabrikgelände in Steglitz, das aus finanziellen Gründen immer nur donnerstags geöffnet ist, erfreut sich regen Zuspruchs. „Wir können pro Donnerstag aber höchstens 35 Anfragen bearbeiten“, sagt der 29jährige Hauke Murken, einer der fünf Freunde. Das System ist einfach: „Jeder, der uns anruft und etwas wissen will, hat auch selbst ein Gebiet, auf dem er viel weiß. Darum kennt jeder Fragende auch viele Antworten.“ Nach Wissensgebieten – seien es Kochrezepte, Rosenzucht oder das alte Rom – sind Hunderte von Informanten im Computer gespeichert. Die fünf Freunde brauchen nur den jeweiligen Fachmann anzurufen und dessen Antwort dann weiterzugeben. Die Auskünfte sind gebührenfrei, denn der Service wird von Info- Radio gesponsert.

Seit September gibt es das „Büro für Ermöglichung“

Zwei neue Experimente mit Serviceleistungen hat die Studentengruppe in diesem Herbst gestartet. Seit September gibt es das „Büro für Ermöglichung“. „Wir helfen Leuten, die Ideen haben, aber in der Projektorganisation keine Profis sind – als eine Art schneller Eingreiftrupp zwischen Theorie und Praxis“, erklärt Hauke Murken. An der Beratung, so erläutert er, seien in erster Linie Erfinder von neuen Produkten oder neuen Dienstleistungen interessiert, die ihre Idee in die Wirklichkeit umsetzen wollten. „Wir gucken uns dann erst einmal an, ob das Projekt gut durchdacht ist, suchen einen Hersteller und erarbeiten eine möglichst gute Präsentation“, sagt Murken.

Außerdem bieten die fünf Freunde Beratung über bürokratische Verfahren und Sponsoring – freilich immer nur, wenn sie das Projekt auch selber interessiert: „Wenn jemand eine Videothek aufmachen will, läßt uns das natürlich kalt.“ Die erste Beratung kostet hundert Mark, jeder weitere Arbeitstag 300 Mark. Seit Eröffnung des „Büros für Ermöglichung“ haben die fünf Freunde schon den Erfinder einer neuen Badezimmerarmatur und eine Modedesignerin beraten sowie einige Parties und Happenings vorbereitet.

Die Details behalten sie, aus Furcht vor Ideenklau, vorläufig noch für sich, denn noch hat kein Projekt den Quantensprung vom Stadium der Möglichkeit in das der Wirklichkeit geschafft. „Aber es fragen immer mehr Interessenten an“, sagt der Industriedesign-Student Holger Kink, ebenfalls Mitglied der fünf Freunde. Für das „Büro für Ermöglichung“ mußte die Gruppe schon einen weiteren Raum anmieten.

„Immaterielles Design“ nennen die fünf Freunde die neuen Serviceleistungen, die sie anbieten. Seit einem Monat betreiben sie nun noch ein drittes Unternehmen namens „Sensor“, das Indizien für die Thesen eines in Hamburg ansässigen Trendforschungsinstituts sammelt.

„Im Moment beobachten wir zum Beispiel diese martialische Kostümierung, die alle Radfahrer jetzt tragen“, erzählt Holger Kink. Alle fünf seien gute Beobachter – zumindest, wenn sie nicht gerade mit ihrem Studium oder den beiden anderen Büros beschäftigt sind. Vor allem das Auskunftsbüro nimmt sehr viel Zeit in Anspruch, nicht nur am Donnerstag: „Seit zwei Wochen versuchen wir herauszukriegen, seit wann es den Eierbecher gibt – und wir wissen es immer noch nicht.“ Miriam Hoffmeyer