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Kein Platz für Dilettanten

In Acapulco trafen sich rund tausend Sportfunktionäre aus aller Welt/ Die Olympischen Spiele der Zukunft: Ein Stelldichein von Superstars  ■ Von Matti Lieske

Berlin (taz) – Als führendes Mitglied der olympischen Familie lebt es sich bekanntlich nicht schlecht. Einige konnten es sich sogar leisten, den Bestechungsdollar, den ihnen das Berliner Anti-Olympia-Komitee schickte, um sie zur Stimmabgabe gegen die Hauptstadt der Demonstrationsterroristen zu bewegen, glatt zurückzusenden. In der letzten Woche war im schönen Acapulco mal wieder Wohlleben angesagt, es traf sich auf Einladung des mexikanischen Multimillionärs Mario Vazquez Rana so ziemlich alles, was Rang und Namen hat im olympischen Weltzirkus. Rana, der eines Tages so gerne IOC-Präsident werden möchte, lud als Vorsitzender der „Vereinigung der Nationalen Olympischen Komitees“ seine Schäfchen an den Pazifik, Samaranch versammelte das IOC-Exekutivkomitee um sich, und Primo Nebiolo, machtlüsterner Boß des geldschweren Internationalen Leichtathletik-Verbandes (IAAF), rief als dessen Präsident die 25 Internationalen Sportverbände (ASOIF) nach Acapulco.

Damit waren die drei tragenden Säulen der Olympischen Spiele fast vollzählig versammelt, Schauplatz des Spektakels war das „Prinzess Acapulco“, eines der luxuriösesten Hotels des Erdballs, dessen Besitzer der japanische Milliardär Yoshiaki Tsutsumi ist, Drahtzieher der erfolgreichen Kampagne von Nagano für die Winterspiele 1998.

Auf der Tagesordnung der verschiedenen Versammmlungen stand nichts Geringeres als die Weichenstellung für die olympische Zukunft. Die drei Grundpfeiler Olympias nämlich sind aus dem Gleichgewicht geraten. Die einzelnen Sportverbände, vor allem IAAF und FIFA, werden immer wichtiger und fordern dementsprechend mehr Geld und Macht, das IOC kämpft um seine dominierende Rolle, die NOKs verlieren rapide an Bedeutung. Gleichzeitig spiegelt sich das Nord-Süd-Gefälle auch im Sport wieder. Je mehr das Geld dominiert, desto bedeutungsloser werden die armen Länder.

Die Richtung, in die IOC-Präsident Juan Antonio Samaranch die Spiele führen will, ist längst klar: weniger Masse, mehr Klasse – dadurch mehr Geld. So war der einschneidendste Vorschlag des IOC- Exekutivkomitees folgerichtig die Einführung internationaler Olympia-Qualifikationen und die Begrenzung der Teilnehmerzahl der Sommerspiele auf 10.000, der Winterspiele auf 2.000. Eine Festlegung, die bei den 600 NOK-Vertretern aus 183 Ländern beträchtliches Entsetzen auslöste. Bedeutet sie doch, daß den NOKs die Nominierung ihrer Sportlerinnen und Sportler aus der Hand genommen wird und daß etliche Länder mit leistungsschwächeren Athleten bei Olympia überhaupt nicht mehr vertreten sein werden. Zwar soll durch die Vergabe von wild cards die vielgerühmte „Universalität“ der Spiele erhalten bleiben, doch dennoch drohen 40 bis 50 Länder, so eine interne Untersuchung, „aus dem olympischen Panorama zu verschwinden“.

Das „Dabeisein ist alles“ des Pierre de Coubertin wird endgültig durch die Maxime „Nur der Sieg zählt“ ersetzt, wer keine Gewinnchancen hat, ist nicht zu vermarkten, stört und muß zu Hause bleiben. „Wir hatten in Albertville Touristen, die sind im Riesenslalom sechsmal hingefallen“, ärgert sich Ski-Präsident Marc Hodler. „Es sollte nicht gestattet sein, Schwimmer zu entsenden, die nicht schwimmen können“, hämt Samaranch. Die Sturzflüge eines „Eddie The Eagle“ oder Szenen wie jene, als die Sieger des Slaloms von Albertville, Alberto Tomba und Christian Jagge, den als letzten Läufer gestarteten Alejand Preinfalk-Lavandi aus Costa Rica auf den Schultern durch den Zielraum trugen, wird es nicht mehr geben. Die Forderung der NOKs aus der Dritten Welt nach 2.000 wild cards hatte keine Chance, eher ist mit einer äußerst sparsamen Vergabe der Freiplätze zu rechnen. „Es sieht so aus, als wollten sie uns aus den Olympischen Spielen rausschmeißen“, klagte Z. Slamini aus Swaziland, „sie wollen nur immer mehr Dream Teams haben.“

Der große Sieger von Acapulco war jedoch Primo Nebiolo. Alle hassen den gewieften Intriganten aus Italien, doch die meisten wählen ihn. „Alle sind gegen ihn, doch er sitzt auf dem Geld“, meint Segel-Präsident Peter Tallberg. Mit der Drohung, 25 Prozent der vom IOC an die Verbände ausgeschütteten Dollars für die IAAF zu beanspruchen, schockierte er die anderen Präsidenten. Als er sich am Ende bereit erklärte, so wie alle anderen mit 1,4 Millionen Dollar vorliebzunehmen, hatte er gewonnen. Erleichtert stimmten 22 der 25 Verbände für eine Änderung der Satzung, die Nebiolo eine weitere Amtsperiode gestattet. „Wenn einer etwas für die Verbände erreichen kann, dann ist es Nebiolo“, erklärt Schützen-Generalsekretär Horst Schreiber den Triumph des Ungeliebten, der die Forderung nach mehr Geld und mehr Einfluß bei der Wahl des Olympiaortes auf seine Fahnen geschrieben hat.

Seine gewachsene Macht denmonstrierte Nebiolo auch in der Frage der Teilnehmerbeschränkungen bei den Olympischen Spielen auf zwei Teilnehmer jedes Landes pro Wettbewerb. Vor allem die Länder der Dritten Welt hatten diese gefordert, um die Vergabe von mehr wild cards zu ermöglichen. Für die Leichtathletik lehnte Nebiolo dieses Ansinnen brüsk ab: „Entweder wir dürfen weiterhin mit drei teilnehmen, oder wir kommen nicht mehr.“

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