: Schacht-Konrad-Gutachten zur richtigen Zeit
■ Sicherheitskommission gibt Empfehlungen nach politisch-taktischen Motiven
Berlin (taz) – Vermeintlich unabhängige Wissenschaftler lassen sich vom Bundesumweltministerium in eine Kampagne für dessen Atommüllpolitik einspannen. Die Reaktorsicherheitskommission (RSK), ein an sich unabhängiges hochrangiges Expertengremium, hat im Sommer 1990 für Minister Klaus Töpfer (CDU) ein politisch motiviertes Gefälligkeitsgutachten zum geplanten Endlager Schacht Konrad abgegeben.
In der Anlage zu einem internen, vertraulich gestempelten Protokoll vom 6. April 1990 heißt es, die 18köpfige RSK habe aus Bonn den Auftrag erhalten, sich zum Bau des Endlagers Schacht Konrad zu äußern. „Der seitens des BMU angestrebte Termin für die Verabschiedung [der Stellungnahme durch die RSK, d. Red.] ist Mai/Juni 1990. Dies hauptsächlich aus politisch-taktischen Gründen, um mit der positiven Stellungnahme der Genehmigungsbehörde Schützenhilfe in der zu erwartenden emotionsgeladenen Diskussion... zu geben.“
Weiter ist in dem von Professor Erich Merz vom Kernforschungszentrum Jülich verfaßten Vermerk zu lesen, die Empfehlung der RSK könne auch ohne Kenntnis wichtiger neuer Gutachten erfolgen. Man könne sich ja auf mündliche Vorträge der Gutachter stützen. Den Grund für die laxe Praxis des ehrenamtlichen Beratergremiums nennt Merz unter der Überschrift Merkpunkte: „Die Genehmigungsfähigkeit der Schachtanlage Konrad steht für den Endlagerausschuß bereits fest.“
Die in Auftrag gegebenen schriftlichen Gutachten seien nur zur „späteren Verifizierung“ der eigenen Empfehlung notwendig, so der Wissenschaftler. Merz war damals Vorsitzender des Endlagerausschusses der RSK.
Die Reaktorsicherheitskommission war schon nach dem GAU in Tschernobyl ins Gerede geraten. Damals hatten ihre Experten dem zuständigen Bundesinnenminister Fritz Zimmermann (CSU) versichert, die Folgen des Unglücks würden sich auf einen Radius von25 Kilometern um den zerstörten Reaktor beschränken. Eduard Bernhard vom Bundesverband Bürgerinitiativen Umweltschutz hält die vom Umweltministerium immer behauptete Unabhängigkeit für eine Farce. „Die Herren kommen alle aus der Atomindustrie oder aus den Atomforschungseinrichtungen der Bundesregierung. Sie sind einfach befangen.“
Die Mitglieder der RSK werden vom Umweltministerium auf eine Zeit von ein bis drei Jahren ernannt. Der RSK gehören keine Atomkraftkritiker an.
Im ehemaligen Erzbergwerk Schacht Konrad bei Salzgitter soll in rund 650.000 Kubikmetern Hohlraum Atommüll für die nächsten 10.000 Jahre sicher gelagert werden. 290.000 Bürgerinnen und Bürger hatten Einwendungen gegen das Endlagerprojekt erhoben, die derzeit auf einer Anhörung behandelt werden. Hermann-Josef Tenhagen
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