: Die IG Metall will Wort halten
■ 1994 Westlöhne im Osten, Ausnahmen bestätigen die Regel
Frankfurt/Main (dpa) – Die IG Metall will bis 1994 die Tariflöhne in Ostdeutschland auf „100 Prozent West“ angleichen. An diesem mit dem Arbeitgeberverband Gesamtmetall Anfang 1991 ausgehandelten Stufenplan wird die größte DGB-Gewerkschaft „keine Abstriche“ hinnehmen. Mit dieser Aussage hat IG-Metall-Chef Franz Steinkühler am Dienstag in Frankfurt/Main den Wunsch der Arbeitgeber nach einer Streckung der Stufenvereinbarung abgelehnt.
Der Arbeitgeberverband hatte Anfang November von der Gewerkschaft Verhandlungen über eine Revision der schrittweisen Anpassung verlangt und dabei eine entsprechende Klausel im Tarifvertrag genutzt. „Die ostdeutschen Metaller müssen die Gewißheit haben, daß ihre Organisation zu dem gegebenen Wort steht.“ Neben ökonomischen Faktoren ist dies für Steinkühler der entscheidende Grund für die ablehnende Haltung. Die IG Metall werde sich nicht in die Reihe der Wortbrüchigen eingliedern.
Aber auch aus sozialen Erwägungen wäre eine Streckung der Tarifverträge unzumutbar. Im Durchschnitt des zweiten Quartals 1992 seien die realen Bruttomonatsverdienste in Ostdeutschland um 2.500 Mark niedriger gewesen als im Westen. „Das Nebeneinander von sozialistischen Löhnen und kapitalistischen Preisen darf also schon aus sozialen Gründen nicht künstlich verlängert werden“, betonte der IG-Metall-Vorsitzende.
Auch könne der millionenfache Verlust von Arbeitsplätzen in der ostdeutschen Wirtschaft und die dramatische Zuspitzung der Beschäftigungskrise nicht mit der Revision der Lohnabkommen bekämpft werden.
Franz Steinkühler will in den für Januar angesetzten Verhandlungen die Arbeitgeber davon überzeugen, daß eine generelle Revision der Tarifverträge keine Lösung des Problems darstellt. Falls in Einzelfällen eine zeitliche Streckung der Löhne tatsächlich eine Überlebenschance für ein Unternehmen eröffne, könnte mit der IG Metall auf Basis des Tarifvertragsgesetzes darüber geredet werden. „Zur Lösung von Einzelproblemen braucht man aber keine allgemeine Revision.“
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