: Fluß aus der Schublade
■ Fließende Grenzen, ein Festival der Gegenwartsmusik von L'Art Pour L'Art, vom 13. bis 24.11. in der Opera stabile
, ein Festival der Gegenwartsmusik von
L'Art Pour L'Art, vom 13. bis 24. 11. in der Opera stabile
L'Art Pour L'Art - als Schlag- und Schimpfwort in aller Munde - ist der einprägsame Name eines der renommiertesten Ensembles für Neue Musik, einer Kernzelle aus drei Musikern, Astrid Schmeling (Flöte), Michael Schröder (Gitarre) und Matthias Kaul (Schlagzeug), die sich je nach Programm bis hin zum 25köpfigen Orchester ausweitet. Gemeinsam mit drei weiteren Veranstaltern präsentiert das 1983 gegründete Stammtrio mit Fließende Grenzen ein Festival der Gegenwartsmusik. Ziel des zwölftägigen Musikprogramms ist es, exemplarische Grenzüberschreitungen zwischen „Musik und Theater, Mensch und Maschine“ zu zeigen, sowie die merkwürdige Trennung zwischen Neuer Musik und experimentellen Jazz-Formen aufzuheben. Matthias Kaul meint sogar: „Ich verstehe die Trennung nicht, weil es sie nicht mehr gibt.“ Charakteristisch sei das klangliche Endergebnis, unabhängig von musikalischer Herkunft und Hintergrund. Seine Musik packt er folgerichtig in keine Kategorie: „Ich mache Musik!“
In zwei eigenen Konzerten (17.11. und 24.11.) will L'Art Pour L'Art den Gegensatzpaaren Notation - Improvisation sowie SehMusik - HörTheater auf die Spur kommen. Im ersten Konzert stoßen Solostücke wie die Uraufführung von Thomas Jahns Miles Davis-Hommage Milestones für Flügelhorn auf Ensemblestücke von Frédéric Rzewski. Hier müssen die Musiker gemeinsam improvisieren, im mathematisch aufgebauten Les Moutons ist das Verrechnen und Verspielen vorauszusetzen, so daß aus dem Unisonostück ein Chaos wächst. Jede Aufführung des Stückes ist nach dem Prinzip der Aleatorik verschieden: „Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut“. Für das zweite L'Art Pour L'Art-Konzert verheißen John Cages Living Room Music für Sprecher und Schlaginstrumente oder Trevo Wischarts Fidelio für Flöte und Sprecher theatralischen Musikgenuß.
Die Konzerte der Gesellschaft für neue Musik bewegen sich im Spannungsfeld zwischen akustischen und technisch erzeugten Klängen. Neben Klavierstücken von Webern und Messiaen präsentiert Jean- Claude Risset am 18.11. eigene Stücke, in denen Tonbänder und das Computerprogramm Max für Klangerlebnisse sorgen. Am 23.11. (im NDR-Studio 10) steht das computergesteuerte Disklavier, dessen Tasten mit Hilfe magnetischer Kraft exakt angeschlagen werden, im Mittelpunkt des Geschehens. Neben Uraufführungen von Xiaoyong
1Chen, Manfred Stahnke und Kiyoshi Furukawa erwartet den Zuhörer ein besonderes Erlebnis: Im Rotkäppchen-Begleiter von Masahiro Miwas steuert die Mezzosopranstimme mit Hilfe eines Prozessors, der Tonhöhe, Lautstärke und weitere Parameter in Daten überträgt, die Disklavierbegleitung im Augenblick des Konzertes. Zu beiden Konzerten werden an dem jeweils folgenden Tag Workshops in Zusammenarbeit mit dem Music Media Lab stattfinden.
1An drei weiteren Abenden spielen The String Thing, das Wiesbadener Improvisations Ensemble und das Stockholmer Ensemble Sonanza als Gäste vom Verein Ton Art und L'Art Pour L'Art: Konzerte unserer Zeit von Musikern, denen Elfenbeinturm und kommerzielle Schubladen gleichermaßen fremd sind. „Entscheidend ist das, was der Mensch auf der Bühne spielt, nicht was er vorher theoretisch geschrieben hat“.
Niels Grevsen
Festivalbüro 040/7659266
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