: Genforscher ziehen zu Felde
■ Hamburger Uni-Institut beantragt Freilandversuch mit genmanipulierten Kartoffeln / Natürlich ist alles ganz harmlos und sogar umweltschonend, ein "positiver und aktiver Beitrag zu einer umweltverträglichen...
/ Natürlich ist alles ganz harmlos und sogar umweltschonend, ein »positiver und aktiver Beitrag zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft«
Einen Freilandversuch mit genetisch veränderten Kartoffeln hat das Hamburger Institut für Allgemeine Botanik in Flottbek beim Bundesgesundheitsamt beantragt. Die Hamburger Universität ist damit die erste deutsche Hochschule, die einen Antrag auf Freisetzung genmanipulierter Pflanzen gestellt hat. Der geplante Feldversuch, der im Frühjahr 1993 auf dem Versuchsfeld Wulfsdorf bei Ahrensburg beginnen soll, wäre der erste gentechnologische Freilandversuch in Norddeutschland.
In dem für zwei Jahre geplanten Experiment sollen auf einem 100 Quadratmeter großen Stück Land genmanipulierte Kartoffeln gepflanzt werden, die resistent sind gegen Schwarzbeinigkeit und Knollenfäule. Erreger dieser Kartoffelkrankheiten, bei denen die Stengel verfaulen und die Knollen im Feld verrotten, ist der bakterielle Schädling Erwinia.
Die Hamburger Botaniker haben ihren bisher nur im Labor und im Gewächshaus getesteten Versuchskartoffeln Erbinformationen des Bakteriophagen T4 eingeschleust. Die so manipulierten Kartoffeln bilden Lysozym. Dieses Enzym, das auch in der Tränenflüssigkeit enthalten ist und in Medikamenten eingesetzt wird, tötet Bakterien ab. Nun sollen die resistenten Knollen unter natürlichen Bedingungen getestet werden — im Freilandversuch eben.
Die gentechnisch bekämpften Kartoffelkrankheiten seien in Norddeutschland kein Problem, räumte Horst Lörz vom Flottbeker Botanik-Institut Anfang des Monats ein, anläßlich des Forums Biotechnologie der Wissenschaftsbehörde. In Bayern würden aber durch Schwarzbeinigkeit und Knollenfäule oft zehn bis 15 Prozent der Ernte verloren gehen. Die Schädlinge könnten chemisch nur mit erheblicher Umweltbelastung bekämpft werden. Deshalb seien die Versuche mit den genmanipulierten Kartoffeln ein „positiver und aktiver Beitrag zu einer umweltverträglichen Landwirtschaft“.
Die Gefahr, daß genetisch veränderte Nutzpflanzen verwildern oder ihre Eigenschaften auf andere Pflanzen übertragen, kann Lörz nicht vollständig ausschließen. Fremd-Gene würden zwar in der Regel fest eingebaut und blieben in der Pflanzenzelle, aber die ökologischen Folgen könne endgültig erst der Freilandversuch klären. Anhaltspunkte für eine eventuelle Gefährdung, die von den transgenen Pflanzen ausgehen könne, gebe es aber nicht, meint dazu Projektleiter Klaus Düring.
Bislang hat es in der Bundesrepublik erst zwei Freilandversuche mit transgenen Pflanzen gegeben, und zwar mit farbveränderten Petunien beim Kölner Max-Planck-Institut für Züchtungsforschung. Wie die Hamburger Uni weiter mitteilte, will auch das Institut für genbiologische Forschung Berlin zwei veränderte Kartoffelsorten bei Einbek (Niedersachsen) anbauen. Und ein privater Pflanzenzüchter plane am selben Ort sowie im Landkreis Deggendorf (Bayern) die Freisetzung virusresistenter Zuckerrüben.
Das Hamburger Kartoffelprojekt wird nach Angaben der Universität vom Bundeslandwirtschaftsministerium und von der Gemeinschaft zur Förderung der privaten deutschen Pflanzenzüchtung mitfinanziert. Vera Stadie
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