: 30 Sekunden brachten Tod
■ Zugunglück: "Verkettung unglücklicher Umstände" / Mehr Tote?
30 Sekunden brachten Tod
Zugunglück: „Verkettung unglücklicher Umstände“ / Mehr Tote?
Eine „Verkettung unglücklicher Umstände“ ist nach Angaben der Bundesbahn für das schwere Zugunglück verantwortlich, das am Sonntag morgen im Bahnhof Northeim elf Tote und mehr als 50 Verletzte forderte. „Die Katastrophe hätte vermieden werden können, wäre der aus München kommende Schnellzug nur 30 Sekunden später gekommen“, sagte Rainer Bartsch als Abteilungsleiter Fahrzeugtechnik der Bundesbahndirektion Hannover am Montag mittag vor Journalisten. Der D-Zug hätte dann von der automatischen Zugsteuerung gebremst und rechtzeitig zum Stehen gebracht werden können.
Die Schnellbremsung des D-Zugs Sekunden vor der Katastrophe sei vermutlich beim Umspringen des Einfahrtssignals des Bahnhofs Northeim auf „Rot“ magnetisch ausgelöst worden. Die entgleisten Güterwagen hätten ein elekotromagnetisches Zeichen ausgelöst, das automatisch die Strecke für den Schnellzug sperrte. Dies sei jedoch zu spät erfolgt, um den mit Tempo 120 km/h herrannahenden Zug mit seinen rund 350 Fahrgästen noch rechtzeitig zu bremsen. Bartsch betonte, die „sichere Fahrt bei der Bundesbahn ist grundsätzlich gewährleistet“ und wies auf den „hohen Sicherheitsstandard der Bundesbahn“ hin.
Als Hauptunglücksursache bestätigte sich inzwischen die bereits am Vortag geäußerte Vermutung, daß der abgefallene Prellpuffer einen nachfolgenden Wagen zum Entgleisen brachte. „Wir untersuchen zur Zeit die Ursache, warum der komplette Puffer an der Schweißnaht abfiel“, sagte Bartsch. Rostbefall oder Korrosion seien ebensowenig auszuschließen wie Materialermüdung. Bartsch wies darauf hin, daß die Puffer dieser Wagenbaureihe im Gegensatz zu sonstigen Eisenbahnwagen nicht verschraubt, sondern am Wagen angeschweißt sind.
Am Unglückswagen sei eine andere als sonst übliche Schweiß- Befestigung festgestellt worden. Ob dies bei einer Reparatur erfolgte und mit dem Unglück im Zusammenhang stehe, werde eingehend geprüft. Bartsch kündigte die Untersuchung mehrerer hundert Wagen dieser Baureihe an. Der Unglückswagen stamme „aus den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg“ und sei 1965 als Werkzeugwagen komplett umgebaut worden. Eine komplette Revision sei am 6. September 1990 erfolgt, die Radsätze seien am 7. Juli 1992 kontrolliert worden. Außerdem werde jeder Bahnwagen vor einer Fahrt in Augenschein genommen.
Unterdessen gingen am Vormittag im Bahnhof Northeim die Bergungsarbeiten weiter. Die Bundesbahn befürchtet unter den beiden bislang noch nicht geborgenen Personenwagen weitere Opfer. Die beiden völlig ineinander verkeilten Waggons hätten bislang noch nicht angehoben werden können, da sich an den vollständig zerstörten Fahrzeugen keine stabilen Ansatzpunkte für die Kräne gefunden hätten.
Die Brücke des Gleises zwei muß durch eine Hilfsbrücke ersetzt werden. dpa
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