piwik no script img

Fickende Pastoren, wichsende Äffchen

■ Hausbesitzer Claus Becker eröffnet sein Erotic Art Museum / Beachtliche Sammlung von Koituspositionen

/

Beachtliche Sammlung von Koituspositionen

Der Herr hat den Schwanz aus der Hose genestelt, die unter ihm liegende Dame windet sich, und am Fuße der Chaiselongue hockt ein fröhlich wichsendes Äffchen. Zu solch possierlichen Szenen ließ sich Jules Pascin (1885-1930) in Pariser öffentlichen Häusern um die Jahrhundertwende inspirieren. Das Äffchen ist neben fickenden Pastoren („Catholics have more fun“, klärte neulich noch Madonna auf), neben meist entblößten Frauen unter bekleideten Herren und 500 weiteren Darstellungen des Geschlechtsverkehrs aus vier Jahrhunderten zwischen Hamburg und Shanghai im „Erotic Art Museum“ zu bewundern. Heute wird es in der Bernhard-Nocht-Straße 69 eröffnet.

Sinnliche Visionen von ostasiatischen Meistern, von George Grosz, John Lennon, Jean Cocteau, von Jörg Immendorf, für den jedes gute Bild erotisch ist, und anderen berühmten oder verschämt anonymen Künstlern, sind in dem restaurierten Speicher aus dem Jahre 1869 ausgestellt. Was heißt hier ausgestellt! Viele Exponate hängen nicht einfach an der Wand, sie wollen, wie die asiatischen Koitusanleitungen in ihren flachen Schubladen, erst mal entdeckt werden. Andere Zeichnungen sind hinter eisernen Klappen verborgen, die der Voyeur selbst zu öffnen hat.

Exponate und ausgetüftelte Prä-

1sentation zeigen, daß Geld hier keine Rolex gespielt hat. „Ich habe mal ein paar schöne Grundstücksgeschäfte gemacht, und das Geld, das ich dabei verdient habe, gebe ich hier mit vollen Händen aus“, plaudert der generöse Stifter des jüngsten Hamburger Privatmuseums, Claus Becker (43), unbeschwert über die geheimen Finanzen seines „Erotic Art Museum“ aus. Daß Becker zum Beispiel dem Hamburger Hafenbasarbetreiber Harry Rosenberg die Miete von 90 Pfennig auf 4,50 Mark pro Quadratmeter erhöht hat, so daß dieser seine Lagerräume aufgeben mußte, in denen nun das Museum untergebracht ist, ist schon fast vergessen. Ebenso, daß Rosenbergs Sohn Holger seine benachbarte Münzhandlung aufgeben muß, weil auch er die von Becker verlangte Miete nicht mehr bezahlen kann.

Doch das sind ja nur Exempel für die Generosität des aufstrebenden Kaufmanns aus Flensburg. Ist doch alles total normal, und der Mann mit dem Zopf im Nacken weiß, wer seine Geschäfte am wenigsten stören könnte: „Politiker haben doch eh nichts zu sagen.“

Es sei denn, sie sprechen ein paar milde Worte zu Ehren des vielfachen Hausbesitzers, der so großherzig ist, das Volk an seinen Liebhabereien teilhaben zu lassen. Die Geste wird er sich in Zukunft mit nur 15 Mark pro Nase am Eingang bezahlen lassen. Doch Kultursenatorin Christina Weiss will sogar von der heutigen SPD-Fraktionstagung in Malente ausbüchsen, um eben jene milden Worte für die „witzige Sammlung“ zu spenden, die schließlich keinen Haufen zu vernachlässigender Schlüpfrigkeiten darstellt, so der Sprecher der Kulturbehörde, Hinrich Schmidt-Henkel. Die Schulbehörde bleibt noch außen vor, museumspädagogischer Aufklärungsunterricht ist bisher nicht geplant. jk

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen