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Bestatter basteln an einem neuen Image

■ Designer-Särge, alternative Formen für Urnen und Sarg-Discount: Berlins Bestattungsunternehmen im Wandel/ Was pietätvoll ist, entscheiden die Kunden

Hartmut Woite läßt Hauswurfsendungen mit den Preisen für Särge verteilen. Claudia und Joachim denken sich alternative Formen für Urnen aus. Eines der größten Berliner Bestattungsunternehmen schaltet Werbespots im Fernseh-Regionalprogramm und veranstaltet Ausstellungen mit Designer-Särgen und Gegenständen, die die Persönlichkeit des Verstorbenen „besonders charakterisieren“ sollen. Berlins Bestatter basteln an ihrem Image herum.

Die Hände einer alten Frau. Mehr sieht man nicht in der einen Minute. Die Frau erzählt, sie habe sich eigentlich nie Gedanken „darüber“ gemacht. Da „die“ es aber so toll mit dem alten Fritz und der Marlene gemacht haben, sei sie nun doch froh, bei Grieneisen „alles geregelt“ zu haben. Im November wird im Berliner Regionalfernsehen zum ersten Mal in Deutschland ein Werbespot eines Bestattungsunternehmens regelmäßig ausgestrahlt. „Wir möchten mit dem Spot deutlich machen, daß wir die meisten Sozialbestattungen in der Stadt machen“, sagt Peter Tiedt, zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit bei Berlins alteingesessenem Bestatter. Grieneisen gelte in der Stadt als Prominentenbestatter, der Könige überführe und Marlene Dietrich bestatte, sagt Tiedt. Er wolle von diesem Image endlich wegkommen.

In der Galerie „Remise“ in Reinickendorf stellt Grieneisen an diesem Wochenende Gegenstände aus, die ein Zeugnis von der „Wiederentdeckung einer alten Bestattungskultur“ darstellen sollen. Menschen, die an ihr Leben und an ihre Umwelt bestimmte Ansprüche stellen, sollen nach ihrem Tod die Gelegenheit erhalten, auch hier ihre Persönlichkeit stärker in den Mittelpunkt zu stellen. In der Austellung werden Särge in modernen Farben und Formen gezeigt. Peter Tiedt will dies als Anregung verstanden wissen, damit über den Tod gesprochen wird und sich daraus etwas entwickeln kann. Zum Beispiel könnten die Angehörigen den Verstorbenen Figuren mit ins Grab geben, sagt Tiedt, „denn wenn man trauert, hat man gerne etwas zum Anfassen.“

Hartmut Woite hat für sein Bestattungs-Unternehmen ein einfaches Konzept gefunden. Der Preis für einen Sarg ist so kalkuliert, daß keine großen Gewinne gemacht werden. Woite betreibt einen „Sarg-Discount“ – die Innungsbetriebe haben gegen diese Bezeichnung mehrfach geklagt. Ein in Hartmut Woites Augen „liberaler Richter“ sagte, der Begriff „Discount“ sei ein gebräuchliches Wort, unter dem sich die Bevölkerung etwas vorstellen könne.

Die Kunden suchen sich im „Sarg-Discount“ völlig unbehelligt den Sarg aus, und können ebenso entscheiden, welche Dienstleistungen sie wollen. Das einzige, was der Bestatter tun muß, ist, die Toten vom Krankenhaus zum Krematorium oder zum Friedhof zu überführen. Die Preise stehen im Schaufenster oder auf Handzetteln, die Woite in ganz Berlin verteilen ließ. Der Unternehmer sagt, viele Bestatter würden nicht über Preise sprechen. Die Bestattungsinnung habe es geschafft, daß sie von der Auspreisung ihrer Waren entbunden ist – wegen dieser „eigenartigen Pietät“. Woite findet, Geld habe mit Frömmigkeit nichts mehr zu tun.

Was pietätvoll ist, entscheiden die Kunden von Claudia Marschner und Joachim Koncella. Die beiden Jungunternehmer haben im November in Charlottenburg Berlins erstes alternatives Bestattungsunternehmen gegründet. Die beiden wollen nicht mehr als Verkäufer, Arrangeure und Berater sein und damit jeden Wunsch erfüllen. Das fängt an bei außergewöhnlichen Urnenformen und endet noch lange nicht bei Rockmusik bei der Totenfeier. Mit ihrem Unternehmen fanden sie bei der Berliner Aids-Hilfe offene Ohren: Sie ist froh, offen über Beerdigungsfeiern von Aids-Toten reden zu können und sich nicht verstellen zu müssen. Martin Lange

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