: Das Kapital ist international
Die Mehrheit der deutschen Wirtschaftskapitäne ist besorgt über die grassierende Ausländerfeindlichkeit und fürchtet um den Absatz ■ Von Klaus-Peter Klingelschmitt
Frankfurt/Main (taz) – Erich Kupfer weiß, daß ein Unternehmen wie die Adam Opel AG vom Goodwill der ausländischen Käufer abhängig ist. Der Rüsselsheimer Autohersteller exportiert normalerweise 55 Prozent seiner Produkte (1991: 40 Prozent). Und genau deshalb sieht Kupfer, der bei Opel Pressereferent ist, noch „einiges“ auf die deutschen Unternehmen zukommen. Es sei doch bekannt, daß gerade die Benelux- Länder – dort ist Opel Branchenleader – äußerst sensibel auf „derartige Ereignisse“ reagierten.
Die „derartigen Ereignisse“ sind für Kupfer die permanenten Angriffe rechtsradikaler Terroristen auf Flüchtlingsunterkünfte, die rechtslastigen Claquere bei Übergriffen gegen Ausländer und die „zu lasche Bekämpfung“ der Gewalttäter in Ost- und Westdeutschland durch Polizei und Justiz. Noch gebe es keine konkreten Hinweise darauf, daß sich Kunden im Ausland mit dem ausdrücklichen Verweis auf die Zustände in Deutschland gegen den Kauf eines Opels entschieden hätten. Doch die Leiter der Verkaufsniederlassungen vor allem in Westeuropa hätten bei gemeinsamen Konferenzen in Rüsselsheim davon berichtet, daß das Thema „Rechtsradikalismus in Deutschland“ im Ausland ein „Dauerbrenner“ geworden sei. Kupfer: „Man kann sagen, daß sich das Klima im Ausland für deutsche Firmen verschlechtert hat.“
Auch der Vorsitzende der Industrie- und Handelskammer in Wiesbaden, Zsolt Gheczy, meinte vor Monatsfrist auf einem Diskussionsforum der hessischen SPD in Wiesbaden, es gebe in seinem Kammerbezirk „massive Hinweise“ dafür, daß die mangelnde Investitionsbereitschaft ausländischer Firmen in unmittelbarem Zusammenhang mit den Ereignissen in Rostock und anderswo stehe. Auf Nachfrage nannte er die renommierten Didier-Werke AG. Dem Konzern, so Gheczy, sei ein Mitinvestor aus Italien mit dem ausdrücklichen Hinweis auf die politische Schieflage der Republik und die damit verbundene „Instabilität“ abgesprungen. Doch Didier selbst ist die Angelegenheit offenbar peinlich: Im Vorstandsbüro will man keine Stellungnahme abgeben, die Rechtsabteilung weiß von nichts – und in der PR-Abteilung will man sich „in den nächsten Tagen sachkundig machen“.
Die Industrie- und Handelskammer in Frankfurt/Main will die Angelegenheit differenzierter betrachten: Schließlich seien die Gründe für eine Investitionsabsage vielschichtig, der Hinweis auf das ausländerunfreundliche Klima in Deutschland oft nur ein Aspekt einer solchen Entscheidung. Bislang, so ein Sprecher, gebe es bei den Mitgliedsfirmen im Bereich der Industrie- und Handelskammer Frankfurt/Main noch keinerlei Hinweise darauf, daß sich ausländische Firmen wegen der in Deutschland grassierenden Ausländerfeindlichkeit aus gemeinsamen Investitionsvorhaben zurückgezogen oder auf Importe deutscher Waren verzichtet hätten.
In der Stadt der Banken und Dienstleistungsunternehmen mit einem Ausländeranteil von 25 Prozent und einem (noch) ausländerfreundlichen Klima reagieren die Wirtschaftskapitäne offenbar mit Gelassenheit auf die Mahnungen etwa des Präsidenten des Deutschen Industrie- und Handelstages (DIHT), Hans-Peter Stihl. Der hatte von einem „drohenden Schaden“ für die deutsche Exportwirtschaft gesprochen, falls die Politik das Problem der rechtsradiaklen Ausschreitungen nicht bald in den Griff bekomme. Auch der Präsident der Industrie- und Handelskammer Berlin, Horst Kramp, richtete – zusammen mit dem Präsidenten der Arbeitgebervereinigung und dem Präsidenten der Handwerkskammer – einen „dringenden Appell“ an die Adresse der Politik, den Gewalttätern endlich „mit allen Mitteln des Rechtsstaates“ entgegenzutreten: „Berlin ist keine Insel mehr, sondern liegt im Herzen Europas. Internationalität gehört zur Visitenkarte dieser Stadt. Gerade deshalb sind wir so betroffen über die wachsende Ausländerfeindlichkeit und die Welle der Gewalt gegen Minderheiten.“ Noch deutlicher wurde in der vergangenen Woche der Hauptgeschäftsführer der Vereinigung der hessischen Unternehmerverbände, Hubert Stadler: „Ausländische Investoren, auf die wir gerade in den neuen Bundesländern angewiesen sind, zögern. Deutsche Unternehmer, die im Ausland investieren oder verkaufen wollen, bemerken Zurückhaltung bei ihren Partnern.“ Stadlers stoibersche Schlußfolgerung aus den die „Kulturnation beschämenden“ Ereignissen: Die SPD müsse zusammen mit der Bundesregierung eine Grundgesetzänderung beim Asylrecht beschließen – „um weiteren Schaden von unserem Land abzuwenden“.
Der appellative Charakter der Stellungnahmen der Kammerpräsidenten und Vorsitzenden der Arbeitgebervereinigungen ist allerdings auch ein Hinweis auf die Ratlosigkeit der ansonsten so mächtigen Wirtschaftskapitäne dieser Republik. „Was kann der Vorstand auch eines Großunternehmens schon machen, damit sich die unerträglichen Verhältnisse rasch ändern“, fragt Opel-Sprecher Kupfer. Immerhin, so der Opelaner, gebe es im Werk eine „Phalanx von Vorstand und Betriebsrat“ gegen Ausländerfeindlichkeit und Ausländerverachtung. Diskriminierende Handlungen und auch Äußerungen würden als Störung des Betriebsfriedens interpretiert und entsprechend sanktioniert.
Sich vor Ort klar zu äußern, hat deshalb Daniel Cohn-Bendit, Dezernent für multikulturelle Angelegenheiten in Frankfurt, die deutschen Unternehmer aufgefordert. „Wenn Rostock einmal eine blühende Metropole wie Frankfurt/ Main werden will, dann müssen die Menschen dort lernen, mit Ausländern zu leben.“ Für den Sprecher des Arbeitgeberverbandes Metall in Hessen, Henning von Vieregge, ist das ein „interessanter Ansatz“. Allerdings plädiere eine Mehrheit der Verbandsmitglieder zur Zeit auf „Zurückhaltung“ – trotz der überall verbalisierten Sorge um das Erscheinungsbild der Republik im Ausland. Vereinzelt sei auch davon gesprochen worden, daß ausländische Konkurrenten auf den ausländischen Märkten die Lage in Deutschland „bewußt dramatisieren“ würden, um selbst den Zuschlag für Aufträge zu bekommen.
Er kenne im übrigen einen großen Metallbetrieb in Frankfurt/ Main, der den drohenden ökonomischen Schaden durch die anhaltenden ausländerfeindlichen Exzesse auf einem Plakat visualisiert habe. Das überall in dem Betrieb hängende Plakat zeige einen südländischen Ausländer, der in einer Sprechblase sinniere, ob er diesen deutschen Wagen tatsächlich kaufen könne, wo doch in Deutschland seine Landsleute gejagt würden. Vieregge: „Vielleicht sollten sich andere Betriebe ähnliche bewußtseinschaffende Aktionen überlegen.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen