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Vom Regenwald zum Holzschnipsel

Seit die Ressourcen Malaysias und Indonesiens zu Ende gehen, drängen die Holz- und Zellstoffgesellschaften verstärkt nach Papua/ Die Bevölkerung beginnt sich zu wehren  ■ Von Ute Schaffer und Norbert Suchanek

„Jedesmal, wenn ich die Lastwagen der südkoreanischen Holzfirma sehe, wie sie die Stämme aus dem Wald zum Meer schleppen, fühle ich mich krank, und manchmal weine ich“, klagt der Papua Barnabas Alunga. Er leitet die Jugendarbeit auf der östlich von Papua-Neuguinea liegenden Insel Siassi. Bis heute ist Siassi – das Eiland wird auch Umboi genannt – noch ein fruchtbares und von Regenwald überwuchertes, 780 Quadratkilometer großes Stückchen Erde, auf dem rund 20.000 Papuas ihr Auskommen finden. Doch seit April 1992 ist die „Put-Put-Company“ da. In den nächsten Jahren will die südkoreanische Firma ein Drittel der Tropeninsel abholzen.

Szenenwechsel: Wenige Kilometer weiter westlich in der Provinz Madang auf Papua-Neuguinea sieht es aus wie nach einem Bombenkrieg. Auf einigen tausend Hektar liegen die Reste von großen Urwaldbäumen kreuz und quer herum. Dazwischen einzelne, noch nicht ganz abgestorbene, noch stehende Bäume und große Pfützen, Löcher und Rinnen, gefüllt mit schlammigem Wasser: keine Bombentrichter, sondern die Folge tonnenschwerer, stählerner Raupen und Bagger, die den Boden zerfurcht, Baumwurzeln ausgerissen und die schweren Stämme zu den Lastwagen geschleppt haben.

Ölwechsel im Regenwald: Schraube auf – und ablassen

„Das ist das Einschlagsgebiet Gogol Naru“, erklärt der ehemalige Forstbeamte Adik Gulali. In den 80er Jahren war er beim Forstministerium Papua-Neuguineas angestellt und für die Betreuung des für die Holznutzung vorgesehenen Gebietes zuständig.

„Die Regierung hatte die Konzession der Abholzungsfirma JANT – ,Japanese and New Guinea Timber‘ – gegeben“, berichtet Adik Gulali, „doch die Firma hielt sich nicht an die Verträge und holzte rücksichtslos mit schweren Maschinen ab.“ Der Forstbeamte, der die Umwelt seiner Heimat „extrem gefährdet“ sah, kritisierte damals die Kahlschlagpraktiken der Tochterfirma des japanischen Papierkonzerns Honshu in der Öffentlichkeit. Ergebnis: Adik Gulali wurde aus dem Forstdienst fristlos entlassen. Seitdem arbeitet er für die melanesische Umweltschutzgruppe „Asples Madang“.

Der Weg von der Provinzhauptstadt Madang zum Abholzungsgebiet führt an einzelnen Siedlungen vorbei und über zwei Flüsse: den Gogol und den Naru. Beide sind trübe von der ausgewaschenen Erde. „Sie haben trotz der Umweltauflagen den Wald auch entlang der Flüsse abgeholzt“, klagt Adik Gulali.

Der sehr fruchtbare Boden an den Flußufern ist besonders empfindlich gegen Erosion. Wenn das schützende Blätterdach des Waldes und sein Wurzelgeflecht fehlt, dann schwemmt ihn der nächste Regen in den Fluß, und die Ufer brechen ab. Zur Verschlammung führt zudem auch der Einsatz von schweren Baggern und Raupen. Allein durch ihr Gewicht zerstören sie beim Durchfahren die vielen kleinen Bachläufe und Zuflüsse.

Verschmutztes Trinkwasser gefährdet die Gesundheit

„Raupen, Bagger und Schwerlastwagen haben noch einen weiteren Nachteil“, sagt der ehemalige Forstbeamte, „sie brauchen ab und zu einen Ölwechsel.“ Und den machen die Fahrer an Ort und Stelle im Regenwald. Sie heben einfach eine Grube aus und lassen das Altöl ab. Mit dem Regen gelangt das klebrige, zähe Umweltgift in den Fluß: Wasserpflanzen und Fische sterben. „Und aus klarem, trinkbarem Wasser“, so Adik Gulali, „wird eine krankmachende Brühe.“

Erste Opfer sind die Bewohner von dem nahegelegenen Dorf Jobdo. „Die Menschen hier hassen JANT“, sagt Adik Gulali. Das Altöl hat ihren Fluß vergiftet. Nun graben sie Löcher in die Erde, um an Grundwasser heranzukommen. Doch das Wasser, das sie finden, ist mit Parasiten und Krankheitskeimen verseucht.

„Wir haben oft Durchfall und Hautausschläge“, klagt der Dorfälteste von Jobdo. „Früher“, so der Dorfälteste weiter, „gab es außerdem viel Wild in der Nähe des Dorfes. Nun müssen wir weit gehen, bis wir etwas zum Jagen finden. Es wäre gut, wenn die Firma endlich verschwände.“

In den vergangenen achtzehn Jahren hat JANT im Gogol-Tal über 60.000 Hektar abgeholzt, zu etwa 3,2 Millionen Kubikmeter Zellstoff verarbeitet und exportiert. Die den Ureinwohnern gegebenen Versprechen wie Wohlstand, neue Schulen sowie befestigte Straßen und Brücken hat die Firma nicht eingelöst.

Das Land gehört den Ureinwohnern

Im Gegensatz zu Lateinamerika und den Philippinen – dort ist die Regenwaldzerstörung vor allem ein Problem der ungerechten Landverteilung – wurde Neuguinea niemals wirklich weder von den Spaniern noch von den Portugiesen erobert. Deshalb gehört das Land, zumindest der Ostteil der mit einer Fläche von fast 900.000 Quadratkilometern größten tropischen Insel der Erde, Papua-Neuguinea, per Gesetz den Ureinwohnern. Indonesien brachte in den 60er Jahren Westpapua unter seine Kontrolle. Die Region heißt heute Irian Jaya.

Bis Anfang der siebziger Jahre blieben die Regenwälder Papua- Neuguineas weitgehend unangetastet. Doch seitdem die Holzressourcen Malaysias und Indonesiens aufgrund der Kahlschläge zur Neige gehen, drängen die Holz- und Zellstoffgesellschaften verstärkt nach Papua. Dem aktuellen, vom Washingtoner Worldwatch- Institut erstellten Bericht „State of the World“ zufolge, war der Inselstaat ursprünglich mit 43 Millionen Hektar Wald bedeckt. Bis 1991 reduzierte sich diese Fläche auf etwa 36 Millionen Hektar. Und Jahr für Jahr nimmt diese Fläche nun um mehrere hunderttausend Hektar ab.

Kleingehäckselter Regenwald landet in Norddeutschland

Der Regenwald wird von Firmen wie zum Beispiel von „Kosmos Resources“, die 1991 eine Einschlagskonzession von 100.000 Hektar Regenwald in der Region Josephstaal bekam, vor allem zu Woodchips zerhackt und exportiert. Diese Holzschnipsel sind das Ausgangsmaterial für Zellstoff und Papier. Mit Hilfe von riesigen Massengutfrachtern, die woodchip- carrier genannt werden, gelangt der kleingehäckselte Regenwald vor allem in die japanischen und inzwischen auch direkt in die deutschen Häfen. Im Juli 1992 löschte erstmals einer der größten woodchip-carrier, die „Fortuna Duckling“ mit 32.735 Tonnen Tragfähigkeit, ihre Ladung in einem norddeutschen Hafen an der Weser.

Papuas helfen Papuas

Doch warum lassen die Papuas diese Zerstörung zu? „Aus Unwissenheit“, sagt Adik Gulali, „die Dorfbewohner verpachten ihren Wald an die Regierung, die ihn wiederum an die Holzfirmen weitergibt. Die Dorfbewohner erhoffen sich dadurch Wohlstand und wissen nicht, daß sie statt dessen eine zerstörte Umwelt und als Bezahlung lediglich ein paar Dosen Fisch bekommen.“

Bei dieser Unwissenheit gegenüber den Folgen der Abholzung setzt nun die Arbeit der einheimischen Umweltschutzgruppen „Asples Madang“ und der „Melanesian Environment Foundation“ (MEF) an. Die Umweltschützer gehen von Dorf zu Dorf und erklären den Bewohnern und den sogenannten landowners mit Hilfe von Fotos und Zeichnungen, wie ihr Wald in kurzer Zeit aussehen würde, falls sie ihn verpachten. Wenn mehr finanzielle Mittel zur Verfügung stehen, werden die landowners eines intakten Regenwaldes auch schon mal in ein Kahlschlagsgebiet geflogen: „Für die meisten ein schreckliches Erlebnis“, sagt Adik Gulali.

Mit diesen Methoden hat es „Asples Madang“ inzwischen geschafft, daß sechzig Prozent der traditionellen Landowner in der Provinz Madang den Wald nicht mehr an die Regierung oder an eine Firma verpachten.

Doch Aufklärung allein reicht auf die Dauer nicht aus. Das wissen auch Papuas Umweltschützer: Die Dorfbewohner wollen sich weiterentwickeln, fordern bessere Schulen, ein modernes Gesundheitssystem und ein geregeltes Einkommen. „Ohne Verdienstmöglichkeiten wird die Landflucht noch größer, und noch mehr Jugendliche wandern in die Städte ab“, befürchtet auch der Jugendkoordinator von Siassi.

Traditionelle Tragetaschen sollen den Wald retten

Barnabas Alunga und die Umweltschutzgruppe MEF – sie werden in Deutschland vom Regenwaldforum Nordbayern unterstützt – gehen deshalb einen Schritt weiter und versuchen alternative Einkommensmöglichkeiten für die Dorfbewohner aufzubauen. Eine Möglichkeit sind Herstellung und Verkauf von Bilums. Diese traditionellen Tragetaschen, in denen die Papuas von Kochbananen bis Kleinkindern alles transportieren, werden bereits seit Generationen aus der Faser des Tulip-Baumes geflochten. Barnabas Alunga und das Regenwaldforum Nordbayern hoffen, diese Bilums in naher Zukunft auch in Europa an die Frau beziehungsweise den Mann zu bringen, um so einigen Dörfern ein Einkommen zu ermöglichen.

Für den Regenwald der Insel Siassi könnte diese Hilfe allerdings zu spät kommen. Die landowners haben bereits einen Verpachtungsvertrag mit der Regierung abgeschlossen und dafür umgerechnet zehn Mark pro Inselbewohner erhalten. Letzter Ausweg ist nun eine Klage vor Gericht, um der Firma die Einschlagsrechte wieder zu entziehen.

„Wir haben eine Chance, zu gewinnen“, glaubt Barnabas Alunga. Allein, es fehlt das Geld für den Rechtsanwalt und die Prozeßkosten.

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