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Alltag in Los Angeles

Ohne ihren Basketball-Heiligen Earvin „Magic“ Johnson sind die glorreichen L.A. Lakers nicht mehr das schillernde Team von einst  ■ Aus Los Angeles Bernd Müllender

Magic ist wieder da. Magic ist „back on stage“, aber er greift nicht nach dem Basketball, sondern zum Mikrofon. Über Lautsprecher wird das bedrohliche Ticken einer Uhr eingespielt, und Magic spricht vom ganz großen Fight. Einen, den er wohl nicht mehr wird gewinnen können: „Laßt uns alle zusammen gegen das Virus kämpfen, kämpfen, kämpfen.“

Der Applaus ist heftig, aber kurz. Fast schon pflichtschuldig. Ein enttäuschter Fan sagt, er verstehe nicht, daß Earvin „Magic“ Johnson nicht mehr unter dem Korb weiterkämpfen wolle. Zwölf Jahre war Magic der Superstar der Los Angeles Lakers, dem mit sechs Titeln überragenden Team der vergangenen 20 Jahre in der US- Basketball-Liga NBA. Seit 1991 weiß er von seiner HIV-Infektion. Was ihn nicht daran hinderte, mit dem Dream Team bei Olympia magisches Basketball zu zelebrieren.

Aber als die nationale Meisterschaft jetzt begann, hatte Johnson resigniert. Nicht wegen körperlicher Schwächung oder Angst, sondern weil ihn Kollegen, unter anderen auch Traumteam-Mitspieler Karl Malone, stichelten und fragten, ob es nicht vielleicht doch gefährlich sei, mit einem Infizierten um den Ball zu rangeln. Als sich Johnson im letzten Vorbereitungsspiel eine blutende Wunde am Arm zuzog und, einer neuen Regel gemäß, sofort zur Behandlung das Feld verließ, meinte er, Entsetzen und Angst nicht nur bei den Gegnern, sondern selbst in den Augen seiner Mannschaftskollegen zu erspähen. Diese bestritten das, doch Magics Entscheidung zum Rücktritt war gefallen. Andere wollen das Erbe antreten, das Erbe als Superstar unter den Superstars. Der Chicago-Bulle „Air“ Jordan etwa; er machte am Sonntag 40 Punkte in einem Match. Oder Shaquille O'Neal, der hochgelobte und hochbezahlte NBA-Neuling.

Magic nimmt Platz hinter der Bank seiner Ex-Kollegen von den Lakers. Die sind kein Spitzenteam mehr, allenfalls Mittelmaß. Der heutige Gegner, die harmlosen, auswärts sieglosen Denver Nuggets, werden mit Mühe bezwungen. Es ist Liga-Alltag. Und der ist, selbst bei den Lakers in ihrem gigantischen „Great Western Forum“, weitaus weniger erregend, als man sich das im Basketball- Entwicklungsland Germany vorstellt. Selbst bei spektakulären Treffern der eigenen Lieblinge rührt sich kaum eine Hand. Einzig richtig wilde dunks bringen enthusiastischen Jubel. Entsetzen packt die Leute für einen Moment, als die Lakers einmal die 30-Sekundenregel vergessen und ballverliebt verschlafen.

Immerhin 13.000 sind gekommen, aber es ist der geringste Besuch, wissen die Statistiken, seit sechs Jahren. Und: die Zuschauer sorgen für deutlich weniger Flair und Stimmung als die knapp 2.000, die vergangene Woche in einer umgerüsteten Schulsporthalle in Aachen die deutsche Nationalmannschaft zur Europameisterschaftsqualifikation gegen Portugal jubelten.

Zwei Basketballwelten: In Deutschland richtet eine altbackene „Turngemeinschaft“ ein Länderspiel aus, in den USA sind es Konzerne mit dem Geschäftszweck „Busineß durch Ballspiel“. In Aachen verteilte ein heimischer Wichtigtuer Printenpräsente an die Portugiesen, es gab die ebenso unvermeidliche Tombola, Bürgermeistergrußworte live und Halbzeitinterviews mit dem Breitensportbeauftragten. In L.A. ist Showtime. Zu jeder Auszeit müssen die „Laker Girls“ die Beine im Diskotakt schwingen, denn Entertainment ohne Atempause ist gefordert. Da sind 60 Sekunden schon eine langweilige Ewigkeit. Auf einem riesigen Videoschirm werden die Rebounds der eigenen Mannschaft wiederholt, während der Gegner unbeachtet trifft. Und in den USA wird Vermarktung als Kult dargeboten: die Lakers-Airline, die offizielle Automarke der Lakers, der Lakers-Autoreifen, ja selbst das offizielle „Lakers-Krankenhaus“ wird auf dem Anzeigenboard gepriesen.

Als Magic Johnson, der Mann mit den stets traurig-lachenden Augen, kurz vor Schluß die Arena verläßt, merkt es kaum jemand. Trotzdem war es noch einmal sein großes Match: 500.000 Dollar hat eine Brauerei für den Kampf gegen Aids an die Magic-Johnson- Stiftung gespendet. Den amerikanischen Medien ist das tags darauf nur eine Fußnote wert. Wichtiger ist das Rebound-Verhalten der Einzelnen, welchen Prozentsatz Fehlversuche wer in welcher Periode hatte, daß der serbische Center Vlade Divac einen persönlichen Trefferrekord aufstellte, daß die Lakers nunmehr drei Spiele ungeschlagen sind. Alles wenig magische Aussagen. Aber in der Hollywood-Stadt gilt mehr denn anderswo: The show must go on.

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