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Aus unheiterem Himmel

■ Neu im Manholt-Verlag: Ein sehr intimer Psycho-Thriller von Jean-Marie Laclavetine

Vincent Artus glaubt, alles vergessen zu haben. Jenen entscheidenden Augenblick, als er seine Frau in die Schlucht stieß. Menschenscheu und alles andere als beredt, hat er sich in einem Leben von deprimierender Regelmäßigkeit eingemauert. Werktags Arzt, freitags die Pokerpartie, die immer gleichen Gänge ins Bistro und der Rückzug in seine mobile Behausung, einen Lieferwagen, den er mit seinem Albinopapagei, teilt. Dieser ist der letzte lebende Nachlaß aus einer Ehe, die schon bald von Gereiztheiten, grollendem Unverständnis und wütenden Anklagen geprägt war. Je ausfallender die Provokationen der Frau, desto unterwürfiger verschanzt Vincent sich hinter seinen Büchern. Bis er ohne Vorwarnung angreift. Polterndes Geröll begräbt die intrigante Ehefrau. Auf immer und ewig.

Weit gefehlt. Die Tochter der Toten taucht wie ein böser Traum auf, zudem von frappierender Ähnlichkeit. Zwar fühlt sich Vincent keineswegs eines Verbrechens schuldig, doch die Schutzwälle bröckeln, es wankt die Alltäglichkeit. Camille, fleischgewordene Spukgestalt der Mutter, ist begabt, geheimnisvoll, äußerst attraktiv und vor allem hartnäckig. Unter allen Umständen will sie die Verschwundene finden. Zögernd zunächst und dann umso rasanter gerät Vincent ins Netzwerk der naiv-geheimnisvollen Schönen. Der unausweichliche Gang zurück an den Tatort ist ein Wechselbad uneingestandener Gefühle und Leidenschaften.

Das Belauern, die sorgsam gelegten Finten und doppelbödigen Informationen gipfeln in einem nächtlichen Schlagabtausch. Doch die Rechnung ist ohne den Dritten gemacht.

Der französische Autor Jean- Marie Laclavetine ist in seiner Heimat mit sechs Romanen eingeführt und legt hier ein stilistisch wie dramaturgisch hochkomplexes Psychogramm vor. Es besticht durch sprachliche Ausgereiftheit und bestens getimte Spannungsbögen. Ein schwarzes Kabinettstück hinterhältiger Eleganz. Per Hansen

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