: Vorschlag
■ Joachim Gottschalk
Anfang 1941 noch hatte er in einem Buch mit „biographischen Plaudereien künstlerischer Persönlichkeiten, die Anspruch auf Würdigung erheben können“, einen prominenten Platz neben Marika Rökk, Paul Dahlke und Gustav Knuth. Am 6. November desselben Jahres war Joachim Gottschalk tot. Er hatte sich, seine jüdische Frau und den achtjährigen Sohn umgebracht. Am nächsten Tag hätte die Familie des Schauspielers nach Theresienstadt deportiert werden sollen. Seine Bitte, sie begleiten zu dürfen, war abgelehnt worden. Er sah keinen Ausweg mehr.
Gottschalk hatte sich den „Rassenhygienikern“ im Goebbelsschen Propagandaministerium nicht gebeugt. Er ließ sich nicht von seiner Frau scheiden, wie es Heinz Rühmann getan hatte, er schickte sie nicht ins Exil, wie Hans Moser. Joachim Gottschalk war kein offener Widerständler. Er versuchte den Spagat. 1937, nach einem Eklat am Frankfurter Theater wegen seiner Ehe, ging er an die Berliner Volksbühne. Zunächst zögerte er, Filmangebote anzunehmen. Er wollte sich öffentlich nicht allzusehr exponieren. Kurz darauf ließ er sich doch umstimmen, 1939 trat er in die Reichskulturkammer ein. Zwei Jahre später war die Schonzeit vorbei.
Joachim Gottschalk ist nicht nur aufgrund seiner tragischen Biographie ein besonderer Ufa-Schauspieler. Er arbeitete nur drei Jahre für die Babelsberger Filmfabrik, in sieben Filmen. Obwohl er vom guten deutschen Soldaten („Aufruhr in Damaskus“, 1939) bis zum Fischer („Das Mädchen von Fanö“, 1940) die ganze Palette gängiger Kinomänner spielte, paßt er mit seiner leisen, unpathetischen Einfachheit überhaupt nicht zu seinen aufgesetzten Starkollegen, deren schwerfällige Spielweise die meisten Ufa-Filme heute so ungenießbar macht. Diese Schlichtheit, die weder krampfhafte Bombenstimmung noch blonden Hünenmut vorführte, ließ Gottschalk fast aus dem Stand zum Publikumsliebling avancieren. Den Kinozuschauern der ersten Kriegsjahre bot er eine ideale Projektionsfläche für die Sehnsüchte nach weicher Innerlichkeit, die den Helden- und Dandymustern der sonstigen Durchhalteware fehlte.
In seinem letzten Film („Die schwedische Nachtigall“, 1941) zeigt er einen völligen Antityp zu den Männerbildern der Zeit. Sein dänischer Märchendichter Hans Christian Andersen ist verletzlich und scheu, keine Spur von großem Gestus. Er wirkt so fragil und gebrochen, wie die Männer, die Bruno Ganz und Rüdiger Vogler 40 Jahre später porträtierten. In dem Ambiente schnarrender Theaterchargen scheint er von einem anderen Stern zu kommen. Der Film wurde zu einem der größten Kassenschlager des Jahres. Gottschalks Tod wurde nicht veröffentlicht, seine Filme nicht verboten. Das Propagandaministerium erließ nur eine zweizeilige Anordnung: „über den Schauspieler Joachim Gottschalk soll in Wort und Bild nichts mehr gebracht werden“. Gerd Hartmann
Gottschalk-Retro bis Sonntag im Babylon-Mitte.
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