: „Wir zahlen gar nichts“
■ Leichtathletik-Präsident Primo Nebiolo lehnt alle Geldforderungen rundweg ab/ WM trotzdem in Stuttgart
Stockholm (dpa/taz) – Die Weltmeisterschafts-Untergangsstimmung soll ein Ende haben. „Jetzt haben wir klare Verhältnisse“, erklärte Helmut Meyer, Präsident des Deutschen Leichtathletik-Verbandes (DLV), in Stockholm nach der Unterzeichnung des Vertrages für die WM vom 14. bis 22.August 1993 in Stuttgart mit dem Internationalen Leichtathletik-Verband (IAAF). Wenige Stunden bevor Hochsprung-Olympiasiegerin Heike Henkel (Leverkusen) und Hürden-Weltrekordler Kevin Young (USA) bei der festlichen Gala der IAAF zu den „Welt-Leichtathleten 1992“ gekürt wurden, hatten Meyer und Prof. August Kirsch, Präsident des WM-Organisationskomitees, finanzielle Nachbesserung bei IAAF-Chef Primo Nebiolo zu erreichen versucht.
Versprochen hat der schlitzohrige Italiener dabei den Deutschen, denen nach Kalkulationen der schwäbischen Veranstalter ein WM-Defizit von mindestens 15 Millionen Mark droht, kaum etwas. „Aus jedem Land, in dem wir eine Weltmeisterschaft vergaben, kamen Rückfragen nach mehr Geld“, meinte Nebiolo unbeeindruckt. Die IAAF wird weiterhin nur sieben Millionen Dollar zum 40-Millionen-Mark-Etat der Schwaben beisteuern und bereits am kommenden Montag die erste Rate von zwei Millionen dem DLV überweisen. „Das ist wichtig, da die Kasse leer ist“, meinte Meyer.
Auf Granit bissen Kirsch und Meyer bei der IAAF auch mit der Forderung, die Kosten der technischen Einrichtung für die Fernsehübertragung – geschätzt wird ein Betrag zwischen zwei und vier Millionen Mark – zu übernehmen. „Dies muß der Ausrichter bezahlen“, sagte Kirsch nach dem Stockholmer Gespräch. Lediglich bei den Einnahmen für die Bandenwerbung im Neckarstadion, bisher haben erst vier von zwölf möglichen Firmen Werbeflächen gebucht, gab es eine Einigung. „Wir haben jetzt eine gute Garantiesumme bekommen“, berichtete Kirsch.
Stuttgarts OK-Präsident Kirsch war nach der Vertragsreduzierung einerseits erleichtert, „daß die leidige Diskussion über Rückgabe und Defizit vom Tisch ist“, andererseits aber enttäuscht über das Verhalten der Schwaben: „Ich will es nicht unfair nennen. Doch die Fakten sprechen doch für sich: Erst stellten die Stuttgarter einen 22-Millionen-Mark-Gewinn in Aussicht, jetzt fürchten sie ein 15-Millionen-Mark-Minus.“ Die gewöhnliche Vorgehensweise all jener, die gern ein großes Sportereignis ausrichten möchten, seien es nun Weltmeisterschaften oder Olympische Spiele: Erst das Blaue vom Himmel versprechen und dann um Hilfe jammern.
Auch den Forderungen der Internationalen Manager-Vereinigung (IAAR) nach Geldprämien erteilte Nebiolo eine kategorische Absage. Die IAAR hatte von der IAAF verlangt, bei WM-Titelkämpfen Preisgelder auszuschütten. Für einen WM-Sieg forderte sie eine Gewinnprämie in Höhe von 100.000 Dollar; abgestuft sollten die weiteren Finalisten ebenfalls Entgelte erhalten.
„Wir bezahlen nicht“, erklärte Nebiolo und entdeckte urplötzlich ein lange verschollenes imaginäres Wesen wieder, „bei großen Titelkämpfen muß der sportliche Geist fortleben, der Wunsch und die Freude, teilnehmen zu können, Vorrang haben“, erklärte der Italiener. Nebiolo: „Wir sind keine Bank, sondern ein Verband.“ Wer sich den Regeln der IAAF nicht unterordne, solle lieber „schwimmen oder Rad fahren“.
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