Liebe in Deutschland

Eine ganze normale Liebesbeziehung und das politische Engagement dafür.  ■ Von Sabine Kriechhammer-Yagmur

Liebe Andrea,

inzwischen seid Ihr ja schon 15 Jahre zusammen“, hast Du in Deinem letzten Brief an mich geschrieben und gefragt: „Hat sich was verändert für Dich in dieser Ehe? Wie geht es Euch in dieser Zeit, die geprägt ist von Übergriffen auf Flüchtlinge und MigrantInnen?“

Diese Frage beinhaltet viele Facetten. Ich möchte versuchen, Dir möglichst viele aufzublättern.

Als ich Mahmut vor 15 Jahren im Studentenwohnheim kennenlernte, gefiel mir seine ruhige und zuvorkommende Höflichkeit, sein kritischer Geist, seine Zärtlichkeit und sein Lachen. Ich verliebte mich in einen Menschen, nicht in einen Ausländer. Doch schon bald erlebte ich eine Überraschung: Daß mein Partner keinen deutschen Paß besaß, schien ein Makel zu sein, der sich auch auf mich übertrug. Oder wie sollte ich es mir erklären, daß wir drei Jahre vergeblich eine Wohnung suchten, mein Freundeskreis sich rasch dezimierte, wildfremde Menschen mich fragten, ob ich denn nicht doch einen deutschen Mann hätte finden können. „Er“ sei doch nur auf den Aufenthalt aus, ich hätte wohl ganz besonders starke sexuelle Wünsche, wenn ich mir einen Orientalen suchte, usw.

Als wir nach drei Jahren des Kennenlernens uns entschlossen zu heiraten, war dies eine Zwangsheirat: natürlich gab es aufenthaltsrechtliche Gründe.

Mein Ausbildungsreferent bei der EKD: „Sie studieren evangelische Theologie. Wenn Sie jemals in den Pfarrberuf gehen wollen, müssen Sie sich von diesem Moslem trennen, oder er bekennt sich zu Ihrem Glauben.“ Ich kehrte dem Studium den Rücken.

Der Sachbearbeiter bei der Ausländerbehörde, der für unseren Buchstaben zuständig war: „Wenn Sie wenigstens noch einen Europäer geheiratet hätten! Aber ein Türke! Der bringt Sie noch in den Harem.“ Wir waren lange Zeit abhängig von seiner Gunst.

Eine große deutsche Bank, bei der ich mein Konto führte, strich mir nach der Eheschließung den Überziehungskredit. Offizielle Begründung: „Mit Ihrem Ehemann könnten Sie ja jederzeit verschwinden. Für uns sind Sie dann nicht mehr greifbar.“ Ich wechselte die Bank.

Um auf Deine Frage zurückzukommen: Oh ja, 15 Jahre Partnerschaft mit meinem Mann haben mich verändert.

Die vielen kleinen Erfahrungen summierten sich, meine Wut und Enttäuschung wuchsen immer mehr. Was ich bis dahin noch als meine individuelle Sache angesehen hatte, gewann auf einmal eine neue Dimension: ich entdeckte, daß Frauen, die es wagen, über nationale, religiöse oder gesellschaftliche Grenzen zu lieben, diskriminiert, beschimpft und verhöhnt werden. Ich wurde Mitglied der IAF, Verband binationaler Familien und Partnerschaften, Interessengemeinschaft der mit Ausländern verheirateten Frauen. Hier setze ich mich ein für die rechtliche und soziale Gleichstellung binationaler Familien mit deutschen Familien.

Nur ein paar Beispiele, um Dir die Dimension aufzuzeigen, die diese Arbeit einnimmt:

Wußtest Du eigentlich, daß bis 1983 die deutsche Frau eines ausländischen Mannes nach dessen Heimatrecht behandelt wurde, auch wenn sie hier lebte? Erst das Bundesverfassungsgericht beendete diese rechtliche Ungleichstellung der Frauen. Die Reform des Internationalen Privatrechts 1986 kam wesentlich unter Mitwirkung der IAF zustande.

Wußtest Du, daß ausländische PartnerInnen Deutscher erst dann ein eigenständiges Aufenthaltsrecht erhalten, wenn die Ehe im Inland vier Jahre bestanden hat? Kannst Du Dir vorstellen, welche Belastung eine solche Hypothek für eine junge Ehe darstellt?

Wußtest Du, daß es noch immer Ausländerbehörden gibt, die durch Schnüffeleien sogenannte Scheinehen entlarven wollen? Die Kriterien, die bei der Bewertung angelegt werden, sind absurd: ein oder zwei Handtücher im Bad, kennt man das Geburtsdatum der Schwiegermutter in Indien etc. Und ich glaubte immer, die Würde des Menschen sei unantastbar!

Wußtest Du, daß deutsche Auslandsvertretungen binationale Paare oft über Monate schikanieren, bevor sie endlich alle Papiere zur Eheschließung zusammenhaben?

Wußtest Du, daß inzwischen wieder deutsche Politiker ernsthafte Zweifel an binationalen Ehen haben, zumindest dann, wenn der ausländische Partner vorher Asylsuchender war? Da gibt es wirklich die absurdesten Lösungsvorschläge!

Wußtest Du, daß immer mehr binationale Familien Opfer rassistischer Übergriffe werden?

Es erfordert viel Kraft, all diese Fragen anzugehen und auch anderen Mut zu machen, sich zu wehren. Aber es ist eine gute Erfahrung, wenn ein Seminar mit Betroffenen konkrete Handlungsmöglichkeiten erarbeitet, die für den einzelnen umsetzbar sind. Und es ist toll, Frauen und Männer zu erleben, die für sich ganz neue Welten erschließen, die sich anfreunden und viele Dinge gemeinsam erleben. Gemeinsam feiern und gemeinsam handeln sind wichtige Grundsätze der IAF.

Ich selbst habe mich im Laufe meiner Beziehung sehr verändert: In der Auseinandersetzung mit den Werten und Normen meines Partners war ich immer wieder gezwungen, meine eigenen in Frage zu stellen. Die Suche nach Kompromissen, die für uns beide gangbar sind, gehört zu meinem Leben. Und auch die Erfahrung, daß bestimmte Konflikte nicht lösbar sind, Bestandteil unserer Beziehung bleiben und diese auch immer wieder belasten. Gleichzeitig machen diese unsere Beziehung aber auch spannend und lebendig. Es gibt nichts, worauf wir uns ausruhen können. Aber ich habe sehr viel für mich persönlich hinzugewonnen.

Ich grüße Dich herzlich,

Deine Gabi