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Es ist ein Grausen in der Luft

[...] Als wir im Jahre 1989 aus der Ferne das Stürzen dieser dunklen Mauer durch Deutschland sahen, konnten wir in uns ein Gefühl vernehmen, das von großer Freude gefärbt war. Und doch wollte sich eine leise Furcht, dieser Taumel möchte sich alsbald in eine mißmutige Verstimmung verkehren, nicht verborgen halten.

Die Erfahrungen meiner vergangenen Reise scheinen mir nun, wider alle meine besten Hoffnungen, das alte Sagen „post coitus omnis anima tristis esse dicitur“ zu bestätigen.

Mir schien, als ob der Osten, durch sein bedürftiges Heraustreten aus seiner trüben Geschichte, im Westen Erinnerungen an eine längst in Wohlhabenheit vergrabene und vergessene Not zu Gesicht führt. Ich mußte erleben, wie sich nach kurzer Hochstimmung nun Ost und West mit schmalen Lippen begegnen. Es hat mich über alles befremdet zu sehen, wie sich die Bedürftigkeit der einen mit der aufgetragenen Moral der anderen gegen die Fremden verbindet. Ich habe eine neue Mauer wahrgenommen, deren Ausmaß noch ungewiß ist, die mich aber schon erschreckt hat. Das ist die Mauer der Abwehr gegen alle fremde Not. Dabei haben sich die reichen Länder den Wohlstand ohne Zögern von den armen genommen, und sie fügen augenblicklich der ganzen Welt durch ungehaltenen Konsum einen Schaden zu, der in keinem Verhältnis zu den billigen Forderungen der Zuwanderer steht.

Es ist mir ungeheuer zu denken, daß diese Eindrücke sicher noch die harmlosesten sind von einem Europa, an dessen Rändern in einem häßlichen Krieg geschlachtet wird.

Während ich dies schreibe, höre ich im Rauschen des Kurzwellensenders von neuen Morden an Ausländern. Es ist ein Grausen in der Luft. Sunada Ando, Tokyo/Japan

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