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Ein Prinz für die Selbstfindung

■ Trostromane für Frauen: Helden und Happy-End * Franziska Spalmann: "Champagne rund Kamillentee" / Hera Lind: "Ein Mann für jede Tonart"

„Von nun an bitte ohne mich“ heißt die Neue-Frauen-Devise, denn: „Etwas Besseres als einen Ehemann findest du allemal.“ Grundbedingung für solch emanzipierte Erkenntnisse ist allerdings die Maxime „Ich bin Ich“. Denn frau hat nun lange genug leidvoll erfahren, „daß gerade Selbständigkeit und Abgrenzung die Voraussetzungen sind für eine fast märchenhafte Leidenschaft“ – wie der Klappentext des Romans „Salz auf unserer Haut“ verspricht.

Die feministische Revolution kämpft mit den Mühen der Ebenen. Die Frauenbewegung findet derzeit eher in den Büchern statt, vor allem in den entsprechenden „Frauen-Reihen“ der Verlage. Hier verlassen die Frauen scharenweise ihre langweiligen Partner, graue Entlein verwandeln sich in wunderschöne Schwäne und schwimmen glücklich und autonom in die Gefilde ewiger Lust. Lust und Glück versprechen neben vielen Lebenshilfebüchern auch all die Romane, in denen vorgelebt wird, wie schwer zwar der Weg zur Selbstfindung ist, welch herrlicher Lohn jedoch am Ziel winkt.

Der Lohn der Mühen ist, welche Überraschung, der gute alte Märchenprinz – diesmal nicht in Gestalt eines potentiellen Ehemanns, sondern eines Lovers. Nach dem langweiligen Ex-Partner vom Anfang und dem schmerzhaften Selbstverwirklichungsprozeß taucht der ganz andere Mann auf. Der ist erstens ein wunderbarer Liebhaber, zweitens nicht spießig und will drittens die Heldin nicht in Besitz nehmen: Das Happy-End findet gerade nicht am Traualtar statt.

So ein Happy-Ending-Roman, durchaus bestsellerverdächtig, ist „Champagner und Kamillentee“ von Franziska Stalmann. Dreizehn Jahre lang war Ines Dohmann glücklich verheiratet, als ihr Mann ihr von heute auf morgen den Laufpaß gab – wie das so ist im Leben. Sie ist verzweifelt, trinkt und läßt sich gehen, bis sie sich langsam fängt und sich mit neuen Kleidern, neuer Frisur und neuem Beruf zum Schwan mausert. Und der Prinz, den sie schließlich findet, ist wirklich nicht ohne! Unerkannt hatte er die Heldin schon gerettet, als sie im Depressionssuff die Treppe hinuntergefallen war. Aber erst, als Ines schön autonom geworden ist, trifft sie ihn wieder. Was für ein Mann: Experte in Kunst und Liebeskunst sowie Leiter einer Bankfiliale. Was für ein Happy-End, wenn die Heldin von ihm schwanger wird und er zufällig im gleichen Haus wohnt!

Selbstfindung ist Mannfindung. Die neuen Frauenromane sind Trostbücher für all jene Frauen, die entweder den Ausbruch nicht so locker schaffen oder ihn gewagt haben und nun als Singles herumsitzen, ohne glücklich zu sein. Im Unterschied zum banalen Leben fügt sich in den Romanen alles aufs wundersamste zum Guten. Es sind moderne Märchen: Dornröschen ist out, aber Aschenbrödel ist in. Aschenbrödel verläßt den häuslichen Herd und geht aus. Es schüttelt sich ein neues Outfit vom Bäumchen, geht tanzen und saufen, schlägt ein bißchen über die Stränge und findet schließlich seinen Prinzen, zumindest für eine „Abenteuer“-Nacht.

Der erfolgreichste Roman aller Frauen-Reihen scheint meine Thesen allerdings zu widerlegen. Eva Hellers „Beim nächsten Mann wird alles anders“, im März 1992 bereits im 1540. Tausend aufgelegt, liest sich wie eine Parodie auf die Selbstfindungsbücher.

Die Studentin Constanze rennt den progressiven Ideologien hinterher, will deshalb ihre Beziehung politisieren und jagt ihren Freund, Assistenzarzt und eigentlich ein netter Kerl, schließlich aus der Wohnung. Sie macht einige Erfahrungen, zum Beispiel, daß die Frauen heiratsversessen sind, daß ihr Chefideologe ein heimlicher Bourgeois ist und daß es ihr nicht gefällt, sich allein zu fühlen. Darum freut sie sich zum Schluß, als ihr Ex-Freund findet, er könne sie eigentlich heiraten, und schickt ihm gleich die Rosen für den stilvollen Heiratsantrag. So witzig das Buch sich liest – ist es eine Parodie? Man kann es auch als Entwicklungsroman lesen, der Constanze weg von der Ideologie, hin zu den authentischen Gefühlen führt.

Auf der gleichen Welle schwimmt Hera Lind. In ihrem Bestseller „Ein Mann für jede Tonart“, der zur Zeit verfilmt wird, entlarvt sich der emanzipatorische Freiheitsdrang der Heldin als zickiger Tick. Bis sie einsieht, daß ihr Freund und Kindesvater (schon wieder ein Arzt!) der Richtige für sie ist, braucht's noch einen zweiten Band. Dann aber haben wir endgültig begriffen, wie sehr sich die Emanzen mit ihren Ansprüchen selber schaden. Die es rechtzeitig einsehen, kriegen aber noch ihren Prinzen ab, den richtigen für den Traualtar. Auch ein Trost-Märchen, Variante Drosselbart!

Franziska Spalmann: „Champagner und Kamillentee“. Piper, 230 Seiten, 12,90 DM

Hera Lind: „Ein Mann für jede Tonart“. Fischer, 287 S., 12,90 DM

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