piwik no script img

„Das schnelle Verfahren schreckt ab“

■ Französische Asyl-Beamte mit Erfahrung in beschleunigter Abfertigung könnten deutschen Entscheidern zur Hand gehen

Gewiß, als hohem französischem Beamten würde es Francis Lott nicht einfallen, den Deutschen Lehren zu erteilen. Dennoch lobt der Direktor des „Französischen Amtes zum Schutz von Flüchtlingen und Staatenlosen“ (OFPRA) sein Modell, als wolle er es zusammen mit seinen Mitarbeitern exportieren: OFPRA hat die Prozedur zur Bearbeitung der Asylanträge enorm beschleunigt und deshalb „die Problematik der Asylbewerber in den Griff“ bekommen, meint Lott. „Denn das schnelle Verfahren schreckt ab.“

Für dieses Jahr rechnet er mit nur 25.000 Anträgen. Deshalb muß Lott jetzt ein Zehntel seiner 440 Beschäftigten entlassen. „Etwa zehn dieser Spezialisten“ könnten für ein Jahr dem deutschen Bundesamt für Flüchtlinge zur Hand gehen, schlägt der Direktor vor. Da Frankreich im Prinzip nach der Genfer Flüchtlingskonvention verfährt, sei die Ausgangslage fast die gleiche wie in Deutschland.

Lotts Angebot wird gegenwärtig geprüft. Offenbar geht das deutsch-französische Paar mal wieder voran und versucht für sich, den Wunsch aller EG-Staaten umzusetzen, Asylbewerber überall gleich und schnell abzufertigen. Wie das Bundesinnenministerium in Bonn mitteilte, sollten die Franzosen vor allem bei der Anhörung von Asylbewerbern oder im Bereich Information und Dokumentation eingesetzt werden.

Als OFPRA in den achtziger Jahren eine starke Zunahme von Asylbewerbern verzeichnete – 1989 wurde mit 61.422 Anträgen der Höchststand erreicht –, reagierte die Regierung schnell: Die Geld- und Personalmittel des Amtes wurden fast verfünffacht. „Sobald wir mehr Anträge bearbeiten konnten, ging deren Zahl um 50 Prozent zurück“, sagt Lott stolz. Heute dauert es im Schnitt nur 52 Tage, bis ein Ausländer weiß, ob er oder sie als Flüchtling anerkannt wird. Legt er Beschwerde ein, verlängert sich das Verfahren auch nur um vier Monate.

Als weiteren Pluspunkt wertet Francis Lott, daß alle Anfragen zentral in Paris behandelt werden. Dadurch kann ein Asylbewerber geographisch spezialisierten Leuten vorgeführt werden. „Ich habe Mitarbeiter, die sich nur mit Sri Lanka beschäftigen und alles über das Land wissen“, erklärt er. „Durch zielgerichtete Fragen können sie sofort falsche Angaben herausfiltern.“

Zur „Abschreckung von Mehrfachanträgen“ werden allen Asylbewerbern Fingerabdrücke abgenommen. Der kleine Unterschied zur Behandlung von Kriminellen: OFPRA wählt die beiden Mittelfinger. Diese werden im elektronischen „Daktyloskopie-System“ gespeichert; über die Datenbank wurden bereits über 2.000 Mehrfachanträge herausgefiltert. Den „Schuldigen“ droht Strafverfolgung.

Diese diskriminierende Behandlung ist für Laurent Giovannoni von CIMADE, einer evangelischen Hilfsorganisation für Asylbewerber, nur noch ein Detail: „Die ganze Politik ist verheerend. Frankreich hat längst beschlossen, all seine humanitären Prinzipien zu verleugnen. Heute ist jedes Mittel recht, um Flüchtlinge daran zu hindern, ins Land zu kommen.“ Bettina Kaps, Paris

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen