: Hakenkreuz ins Gesicht geschnitten
■ Bautzener Skins überfielen 14jährige/ Asyl-Gespräche ohne Ergebnis/ Viele Anti-Nazi-Demos
Ganz Deutschland (dpa/taz) – Während die erste Verhandlungsrunde über die Revision des Asylrechts zwischen der Regierungskoalition und der SPD gestern mittag ohne Einigung zu Ende ging, griffen sowohl im Westen als auch im Osten Deutschlands Rechtsradikale wieder Ausländer und Linke an.
Wie erst jetzt bekannt wurde, mißhandelten bereits am Mittwoch zwei noch unbekannte Jung-Nazis im sächsischen Bautzen eine vierzehnjährige Schülerin. Sie lauerten dem Mädchen, das ein Palästinensertuch trug, vor ihrem Wohnhaus auf. Nachdem die beiden Glatzköpfigen die Schülerin auf den Wäscheplatz gezerrt hatten, schnitten sie ihr mit einem Butterfly-Messer ein handtellergroßes Hakenkreuz ins Gesicht. „Du linke Schlampe, wir kommen wieder“, bedrohten sie ihr Opfer. „Wenn du dich nicht entscheidest, rechts zu sein, machen wir dich alle.“ Die Staatsanwaltschaft Bautzen setzte für die Ergreifung der Glatzen eine Belohnung von 2.000 Mark aus.
Die erste Verhandlungsrunde zwischen CDU/CSU, FDP und SPD über eine Asylrechtsänderung ist gestern in Bonn ohne konkretes Ergebnis zu Ende gegangen. Die Vorsitzenden der Bundestagsfraktionen sagten nach Abschluß der dreitägigen Gespräche, es sei noch nicht in allen Punkten eine Einigung erzielt worden. Übereinstimmung bestehe darin, daß Artikel 16 des Grundgesetzes ergänzt werden müsse, um das Problem steigender Asylbewerberzahlen zu lösen. Strittig sei jedoch noch die Formulierung, erklärte der CDU/ CSU-Fraktionschef Wolfgang Schäuble. Die Gespräche werden am Mittwoch fortgesetzt.
Schäuble zufolge hätten sich alle 18 Beteiligten ein gutes Stück aufeinander zubewegt. Wichtig sei, nicht nur einen „Formelkompromiß“ zu finden, der an den tatsächlichen Verhältnissen nichts ändere. Die Gespräche seien „vertrauensvoll und konstruktiv“ verlaufen. Der SPD-Fraktionschef Hans-Ulrich Klose erklärte, er sei „optimistisch, daß wir das hinkriegen“. Gesprochen wurde nach Angaben Kloses über „das ganze Paket Zuwanderung“. In verfassungsrechtlichen Fragen solle noch der Rat von Experten hinzugezogen werden.
Für die FDP-Fraktion unterstrich ihr Vorsitzender Hermann Otto Solms, im Ergebnis müsse politisch Verfolgten Schutz gewährt, der Mißbrauch des Asylrechts eingeschränkt und ein einheitliches europäisches Asylrecht ermöglicht werden. CSU-Landesgruppenchef Wolfgang Bötsch sagte, seine „gesunde Skepsis“ vor Beginn der Verhandlungen habe sich zum Teil bewahrheitet und zum Teil aufgelöst.
Insgesamt mehr als 50.000 Menschen haben am Wochenende in einem guten Dutzend Städten in ganz Deutschland gegen Rassismus und Ausländerfeindlichkeit demonstriert. Der SPD-Vorsitzende Björn Engholm forderte auf einer Kundgebung in Kiel vor mehr als zehntausend Menschen: „Wir wollen ein friedliches, demokratisches, sozial gerechtes, weltoffenes, kulturell vielfältiges, einiges Land, in dem niemand Angst haben muß.“
In Mölln demonstrierten am Samstag rund 12.000 Menschen, doch die Manifestation wurde davon überschattet, daß rechte und linke Türken aufeinander losgingen – bis Autonome zum Wohlgefallen der Polizei die rivalisierenden Gruppen auseinanderbrachten. Neben den großen Demonstrationen in Kiel und Mölln waren folgende Städte Schauplatz von anti-nazistischen Manifestationen: Dortmund, Duisburg, Flensburg, Halle, Lübeck, Neumünster, Rendsburg, Singen, Stuttgart und Wilhelmshaven.
Gleichzeitig kam es am Wochenende wieder zu Anschlägen auf Asylbewerber. In Lingen im Emsland griffen Nazis ein Flüchtlingsheim mit Molotowcocktails an; es entstanden keine Schäden. Im brandenburgischen Eberswalde brannte eine von sechzig Asylbewerbern bewohnte Baracke bis auf die Grundmauern nieder. Seiten 3 und 5
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