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Israelische Delegation sagt Deutschland-Besuch ab

■ Knessetdebatte über zunehmenden Rechtsradikalismus in der BRD/ Peres gegen Vorschlag der Liquidierung deutscher Neonazis durch israelischen Geheimdienst

Jerusalem (dpa/AFP) — Gestern nachmittag debattierte die israelische Knesset auf einer Sondersitzung über die zunehmende rechtsradikale Gewalt in Deutschland. Eine für diese Woche geplante Reise israelischer Parlamentarier in die BRD wurde wegen der rechtsextremistischen Ausschreitungen abgesagt. Mitglieder der Delegation machten deutlich, daß sie damit der wachsenden Empörung in ihrem Land über die Entwicklung in Deutschland Rechnung tragen wollten.

Emanuel Zissmann, der als Abgeordneter der Arbeiterpartei an der Reise teilnehmen sollte, sagte gestern im israelischen Rundfunk, er hätte es zwar vorgezogen, die Besorgnis über fremdenfeindliche und antijüdische Ausschreitungen in Deutschland direkt vorzubringen. Doch die Stimmung in Israel sei „sehr nervös“ und „gegen die deutsche Gesellschaft und Regierung“ gerichtet. Dan Tichon von der Likud-Partei wurde in der Zeitung Jediot Acharonot mit den Worten zitiert: „Wenn wir gefahren wären, hätte man uns hier (in Israel) fertiggemacht.“

Außenminister Schimon Peres, der auf der gestrigen Sondersitzung der Knesset eine Erklärung zur Lage in Deutschland abgeben wollte, wandte sich im israelischehn Rundfunk gegen Vorschläge, Israelis sollten nicht mehr in die BRD reisen. Für die dortigen Ereignisse trügen schließlich Deutsche die Schuld, nicht Israelis, sagte er. Israel müsse auch weiterhin vor den wachsenden Zeichen für Antisemitismus und Rassismus warnen. Außerdem kritisierte Peres Vorschläge, den israelischen Geheimdienst Mossad gegen Neonazis in Deutschland einzusetzen: „Wir beschäftigen uns nicht mit physischen Liquidierungen.“ Der ehemalige Geheimdienstchef Isser Harel, der 1960 die Entführung des Naziverbrechers Adolf Eichmann aus Argentinien organisierte, hatte dem Mossad vergangene Woche empfohlen, die Anführer deutscher Neonazibanden zu töten.

Die Bundesregierung hat angesichts der israelischen Kritik gestern betont, daß rassistische und antisemitische Übergriffe in Deutschland mit aller Härte des Gesetzes verfolgt würden. Regierungssprecher Dieter Vogel äußerte vor Journalisten Verständnis für die Sorgen Israels, wies aber darauf hin, daß es sich bei den rechtsradikalen Gewalttaten „um Ausschreitungen einzelner extremer Gruppen handelt“. Zugleich nehme die Bundesregierung aber die israelische Anerkennung für diejenigen Stellen in Deutschland befriedigt zur Kenntnis, die Antisemitismus und Rassismus bekämpfen. Am Sonntag hatte das israelische Kabinett den Rechtsextremismus in der Bundesrepublik erstmals offiziell scharf verurteilt.

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