Fatal, daß die Opfer sich streiten
■ Kontroverse Diskussion über das Holocaust-Denkmal geht weiter / Die Bundesregierung sei schuld, daß sich nun die Initiativen stritten
Berlin. „Es scheint mir fast ein Luxus, in diesem Herbst 1992 in Deutschland über Mahnmale nachzudenken“, so die einleitenden Worte von Ingeborg Rürup, Landesvorsitzende der Humanistischen Union und Initiatorin der Podiumsdiskussion am Montag abend im Martin-Gropius-Bau. Eingeladen waren Hans Coppi vom Bund der Antifaschisten, Peter Ambros, Pressereferent der Jüdischen Gemeinde, Albert Eckert, Sprecher „Der schwulen NS-Opfer gedenken“, und Halina Bendkowski als Moderatorin. Entgegen der Ankündigung erschien kein Vertreter der Roma und Sinti, denn in Westdeutschland fand zeitgleich eine ähnliche Veranstaltung statt.
Aber es fehlte noch ein anderer: nämlich Innenminister Seiters (CDU). Peter Ambros monierte, daß die Bundesregierung sich schon vor dreißig Jahren mit einem Mahnmal hätte beschäftigen müssen, und nicht erst jetzt, auf Druck des Fördervereines „Perspektive Berlin“. Dieser Förderverein, eine private Initiative um die Fernsehjournalistin Lea Rosh, fordert seit drei Jahren ein zentrales Mahnmal in Berlin, ausschließlich gewidmet den ermordeten europäischen Juden.
Jetzt, so Peter Ambros, sei durch diese überfällige Initiative die fatale Situation entstanden, „daß die Opfer sich untereinander streiten“. Ausgeblendet werde aber bei diesem von der Presse hochstilisierten Konflikt, daß die Bundesregierung – und niemand anders sonst – es bisher versäumt habe, ein zentrales Mahnmal zum Gedenken aller NS-Opfer zu errichten.
Albert Eckert betonte, daß „es nicht angehen kann“, daß der jüdischen Opfer der nationalsozialistischen Diktatur alleine gedacht werde. Er befürchte Schlimmes: ein eventuell eigenes Denkmal für die ermordeten Sinti und Roma außerhalb der Stadtgrenzen in Marzahn, in die Provinz „abgeschobene“ Denkmäler für die Zwangsarbeiter und für die Schwulen, „weil sie inzwischen laut ihre Stimme erheben“, eines nach Hellersdorf. „Immerhin nicht außerhalb der Stadtgrenzen.“ So etwas dürfe nicht passieren, man müsse sich vielmehr um einen „stadtfreundlichen“, das heiße „provokativen Zusammenhang“ bemühen, der alle Opfer der NS- Diktatur in Berlin-Mitte adäquat ehre. Immerhin gab es einen Menschen auf dieser Veranstaltung, der die Diskussion über die Frage, wer von wem geehrt werden solle, etwas Positives abgewinnen konnte. Hans Coppi, vom Bund der Antifaschisten, hatte in der DDR nie erlebt, daß überhaupt über Denkmäler gestritten wurde. Die „Denkmalkultur“ wurde von „oben verordnet“. Olivera Stevanovic