: Abtreibung in Ungarn soll erschwert werden
■ „Risiko-Schwangerschaft“ unter Aufsicht bei verweigertem Abbruch
Berlin (taz) – Das ungarische Parlament berät gegenwärtig über eine massive Verschärfung des Abtreibungsgesetzes. Zwei Entwürfe der Regierung stehen zur Debatte. Bezeichnenderweise heißen beide „Gesetz zum Schutz des Fötus“. Der erste sieht vor, daß eine Abtreibung nur in drei Fällen zulässig ist: wenn das Leben der Mutter in Gefahr ist, wenn zu befürchten ist, daß das Kind behindert zur Welt kommt oder wenn die Frau vergewaltigt wurde.
Nach dem zweiten Entwurf ist eine Abtreibung in den ersten zwölf Wochen zulässig, wenn ein Arzt der Frau bescheinigt, daß die Schwangerschaft ihre geistige oder körperliche Gesundheit ernsthaft gefährdet. Die soziale Indikation, die in einer früheren Fassung enthalten war, wurde gestrichen. Der Entwurf sieht auch vor, daß sich die Frau einer Zwangsberatung unterziehen muß, in der sie über soziale Leistungen für Mütter informiert wird. „Es soll eine sogenannte Schwangerschafts-Unterstützung eingeführt werden. Wieviel Geld die Frauen während der Schwangerschaft erhalten sollen, ist aber noch unklar“, so Judit Hatfaludi von der „Kampagne für eine freie Wahl“, einer Frauengruppe, die für eine Beibehaltung der gegenwärtigen Regelung eintritt. Danach ist für eine Abtreibung nur die Zustimmung des Hausarztes erforderlich.
Nach beiden Entwürfen soll Abtreibung nach wie vor strafbar bleiben. Was die Frauen von der Kampagne jedoch am meisten beunruhigt, ist, daß Frauen, denen eine Abtreibung verweigert wird, als „Risiko-Schwangerschaft“ gelten und unter die Aufsicht eines Krankenhauses gestellt werden sollen. „Sie müssen sich dann alle zwei oder drei Wochen dort melden“, erläutert Judit Hatfaludi. Daß damit Frauen von einer illegalen Abtreibung abgeschreckt werden sollen, liegt auf der Hand.
Eine weitere Verschärfung trifft Minderjährige. Wurden die Eltern früher nur über den Schwangerschaftsabbruch informiert, soll künftig ohne ihre Erlaubnis kein Abbruch mehr durchgeführt werden.
Seit 1988 haben AbtreibungsgegnerInnen der „Gesellschaft für den Schutz des Embryos“ das Recht auf Abtreibung angegriffen. Eine zweite Organisation „Pacem in Utero“, auf deutsch: Friede im Uterus, gründete sich 1989. Sogenannte LebensschützerInnen und die katholische Kirche sammelten Unterschriften gegen das bestehende Abtreibungsgesetz. 1972 wurde zwar das seit 1956 geltende liberale Abtreibungsrecht durch ein Gesetz eingeschränkt. Ein ministerieller Erlaß sorgte 1973 jedoch weiterhin für eine liberale Handhabung, obwohl das Gesetz immer noch in Kraft ist.
Die AbtreibungsgegnerInnen reichten eine Verfassungsklage gegen das bestehende Abtreibungsgesetz ein. Ende vergangenen Jahres entschied das Verfassungsgericht, daß die geltende Regelung verfassungswidrig sei und forderte das Parlament auf, bis zum 31. Dezember 1992 ein neues Gesetz zu verabschieden.
90.000 Abtreibungen werden jährlich in Ungarn durchgeführt. Die schlechte wirtschaftliche Situation, zunehmende Arbeitslosigkeit und die Wohnungsnot erleichtern die Entscheidung für ein Kind nicht gerade. Eine Umfrage ergab im Mai 1991, daß 70 Prozent der Ungarn für eine liberale Abtreibungsregelung sind. Die Frauen der „Kampagne für eine freie Wahl“ haben 7.000 Unterschriften gegen eine Einschränkung des Abtreibungsrechtes gesammelt. Mit einer Postkartenaktion wurden die Abgeordneten aufgefordert, gegen die Verschärfung zu stimmen. Dennoch machen sich die Aktivistinnen keine Illusionen. „Die Christdemokraten sind gegen die Abtreibung, und die Regierung ist auf diesen Koalitionspartner angewiesen“, so Antonia Burrows, „wir hoffen aber, daß wir noch einige Änderungen durchsetzen können.“ Dorothee Winden
USA: Oberstes Gericht bestätigt das Recht auf Abtreibung
Der Oberste Gerichtshof der USA hat am Montag bestätigt, daß sich das Recht auf Abtreibung in Einklang mit der Verfassung befindet. Die Richter stimmten mit einer knappen Mehrheit von fünf gegen vier Stimmen für die Verfassungsmäßigkeit der geltenden Abtreibungsgesetze. Der Gouverneur des den USA angegliederten Territoriums Guam, Joseph Ada, hatte am 17. Juli Klage gegen das in den USA grundsätzlich geltende Recht auf Schwangerschaftsabbruch eingereicht. Das Oberste Gericht sprach sich mit sechs gegen drei Stimmen für eine Abweisung der Klage aus. Am 29. Juni hatte der Oberste Gerichtshof das Recht auf einen Schwangerschaftsabbruch eingeschränkt, aber zugleich festgelegt, daß es sich dabei um ein mit der US-Verfassung vereinbares Grundrecht handele. Ein 1990 auf der Insel Guam erlassenes Gesetz hatte Abtreibungen grundsätzlich untersagt, soweit das Leben der Mutter nicht gefährdet ist.
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