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Sanierung ohne Konzept

■ IG-Metall-Studie über Ostwerften

Hamburg (taz) – Die Aufgabe war gewaltig, das Heer der Akteure buntgemischt, gestern wurde Zwischenbilanz gezogen: Wie geht es den Werften an der deutschen Ostseeküste? Haben sie eine Perspektive? Oder sind sie Arbeits- Parkhäuser vor der Verschrottung der industriellen Produktionsbasis im deutschen Nordosten?

Die Antwort, per Gutachten gegeben von dem Bremer und Rostocker WissenschaftlerInnen- Duo Heiner Heseler und Heike Löser, fiel differenziert aus: „Eine Kahlschlagpolitik an der Ostseeküste konnte zwar verhindert werden, doch zeigen sich im Schiffbau die Auswirkungen der vollzogenen Form der Wirtschafts- und Währungsunion.“ Frank Teichmüller, Chef der IG Metall Küste, spitzt zu: „Der Erhalt eines ostdeutschen Schiffbaus wäre billiger, besser und schneller zu haben gewesen. Treuhand, Bund und Landesregierung haben schwere Fehler gemacht. Die westdeutsche Industrie hat, mit Ausbahme des Bremer Vulkan, den Sanierungsprozeß aus egoistischen Motiven torpediert.“

Besonders sauer ist Teichmüller auf die Treuhand. Sie sei widersinnige Fehlkonstruktion, die Eigentümer ist, aber es nicht sein möchte, Unternehmer sein möchte, aber sich wie eine Behörde verhält – „Ausgeburt eines kranken Hirns“ ätzt Teichmüller. Heiner Heseler teilt die Analyse: Bund und Treuhand hätten in ordnungspolitischem Rigorismus die Formel „Privatisierung vor Sanierung“ gepflegt. „Besonders augenfällig war und ist der Sanierungsfilz im Aufsichtsrat der DMS AG, jener Holding, die noch heute das nicht privatisierte Erbe von einst 23 Industriebetrieben mit 54.000 Arbeitsplätzen im DDR-Schiffbaukombinat verwaltet: Westwerften, Treuhand, IG Metall und Landesregierung bilden eine widersprüchliche Führungscrew.“ Dennoch sieht Heseler für die heute noch 14.000 Beschäftigten des ostdeutschen Schiffbaus eine Perspektive. Würden die Sanierungskonzepte an den fünf ostdeutschen Standorten verwirklicht, so Heseler, würden die Ostwerften schon bald das westliche Produktivitätsniveau überschreiten und könnten für ihre Region Kerne des Aufschwungs werden. Leider gehe diese „strategische Denke“ Bund, Treuhand und der Landesregierung aber völlig ab, schimpfen Teichmüller und Heseler. Florian Marten

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