: Weißgewandete Gestalten an einer Strippe
■ Fechten: Kaum Zuschauer bei den Hamburger Meisterschaften am vergangenen Wochenende / Oberalster dominierte
Kaum Zuschauer bei den Hamburger Meisterschaften am vergangenen Wochenende / Oberalster dominierte
Die Florette klirren aufeinander, Lampen blinken auf und Schreie durchdringen den Turnsaal der Gesamtschule Mümmelmannsberg.
50 Männer und Frauen zwischen 19 und 30 Jahren sind aus acht Vereinen zum Mannschafts- und Einzelkampf am letzten Wochenende angetreten.
Im Einzel machten Christiane Otto (Oberalster) und Dimitri Gerasimow (HTB) das Rennen. Auch in der Mannschaftswertung überzeugten die Frauen und Männer des Fechtvereins Oberalster. Trotzdem sind „Innerhalb der 13 kleinen Vereine zuwenig Übungspartner. Darum gibt es in Hamburg so wenig gute Fechter. Außerdem ist das nächste große Fechtzentrum in Hannover und die guten Turniere sind weiter weg,“ plaudert ein Florettfechter aus dem Nähkästchen.
Zwei Fechter stehen sich gegenüber. In ihrer weißen Tracht, die einem Taucheranzug mit Kniebundhosen ähnelt, liefern sie sich ein kurzes Punktegerangel. Der Laie wird die ausgedehnten und künstlerischen Kämpfe, wie sie in Mantel- und-Degen-Filmen zu sehen sind, vermissen. Nur ein geübtes Auge kann die Feinheiten im Kampfablauf erkennen, was bei ungefähr einer Minute Teilgefechtszeit kein Wunder ist. Einer der Mitbestreiter des Wettkampfes sieht hierin die Ursache für das mangelnde Interesse der Öffentlichkeit am Fechtsport.
Die Ariel-weißgewandeten Klingenschwinger müssen mit ihrem Florett die Brokatweste des Gegners treffen. Belohnt wird der Fechter dann mit dem Aufleuchten einer roten oder grünen Lampe am Rand der Bahn. Da das Aufstellen von Richtern an jeder Bahnseite zu aufwendig ist und außerdem in ein Russisch Roulette der Punktegebung ausarten würde, wird die Wertung elektrisch gehandhabt. Daher hängen die Fechter an einer Strippe, die den Treffer von der Weste zur Lampe leitet. Der Stoß muß eine Druckbelastung von 500 Gramm (Eigengewicht des Floretts) auf die Spitze ausüben, um die elektrische Trefferanzeige auszulösen. Man benötigt fünf Treffer um den Gegner auszuschalten und das Siegertreppchen zu erklimmen.
Fechten gehört zusammen mit Ringen und Boxen zu den frühesten Zweikampfwettbewerben und ging aus dem kriegerischen Fechten hervor. Es gibt den Degen, das Florett das etwas leichter ist, und den Säbel. Das Fechten mit dem Säbel bleibt den Männern vorbehalten. Mit ihm darf der Säbel-Fechter auch Hiebe auf den Oberkörper verteilen und nicht nur zustoßen. Der Degen dagegen darf sich den ganzen Körper seines Gegners vorknöpfen. Die Ausrüstung mit dem Gesichtsschutz bewahrt den stilvollen Kämpfer vor bösen Überraschungen. Dem Knie bleibt allerdings nichts erspart.
Kirsten Lösch
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