: Nachtflugverbot: Koalition landet in der Krise
■ Wirtschaftssenator will Nachtflugverbot verkürzen / Grüne: Krisensitzung / Entscheidung am Dienstag?
Der Bremer Wirtschaftssenator Claus Jäger will den Antrag der Flughafengesellschaft, daß Nachtflugverbot morgens und abends um je eine halbe Stunde zu kürzen, genehmigen. Das geht aus einer Vorlage für die kommende Senatssitzung am Dienstag hervor, die gestern aus dem Hause Jäger an die Ressorts verteilt wurde. Jäger selbst wollte sich nicht zum Inhalt der Entscheidung äußern. Er bestätigte lediglich, daß er „einen Bescheid erstellt“ und eine Senatsvorlage eingebracht habe. Als Genehmigungsbehörde wolle er sich aber nicht zur Sache äußern.
Die Grünen trafen sich gestern nachmittag noch zu einer Krisensitzung. Umweltsenator Ralf Fücks erklärte in einer ersten Stellungnahme, „daß die Vorlage für die Grünen so nicht konsensfähig“ sei. Der Fraktionsvorsitzende Martin Thomas erklärte: „So etwas belastet die Koalition. Die FDP ist beim Thema Flughafen die Umfallerpartei und muß sich jetzt kompromißbereit zeigen.“ Am kommenden Montag soll im Koalitionsausschuß über das Thema verhandelt werden. Jäger will eine Entscheidung am Dienstag im Senat, die Grünen wollen das heiße Eisen noch einmal aussetzen.
Jäger selbst gab aber einer Erklärung zum formalen Teil seines Bescheides ab. „Die Flughafengesellschaft hat als Antragstellerin Anspruch auf die Rechtsbeständigkeit unserer Entscheidung. Es gibt Urteile, die sich mit dem Problem der Interessenabwägung befassen, und an die haben wir uns gehal
ten. Ich bin nicht bereit, daß Thema im Kungelgeschäft zu entscheiden.“ Das Verfahren sei - ähnlich wie eine Baugenehmigung — nicht politisch, sondern juristisch.
Dem Wirtschaftssenator als Antragsbehörde sitzt der Hamburger Reiseveranstalter Hapag-Lloyd im Nacken. Der will vom nächsten Sommer an mit 35 Charterflügen pro Woche von Bremen aus die Balearen und die kanarischen Inseln anfliegen. Weil eine Maschine jeweils die Strecke Bremen — Mallorca — Bremen — Gran Canaria abfliegen soll, müsse das Nachtflugverbot verkürzt werden. „Wenn das jetzt bald nicht klappt, gehen wir weg aus Bremen“, erklärte
Karikatur
gestern Hapag-Lloyd-Sprecher Simonsen auf Anfrage. In den neuen Prospekten des TUI- Konzerns, an dem Hapag-Lloyd beteiligt ist, werden bereits Flüge von Bremen nach Lanzarote und Gran Canaria angeboten: Startzeit: Mittwochs, samstags und sonntags, 6.00 Uhr morgens. „Was sollten wir machen, die Kataloge mußten 'raus“, sagt Simonsen. Beim Bremer hapag- Lloyd Reisebüro macht man derzeit darauf aufmerksam, daß Abflugzeiten nicht Bestandteil des Vertrages zwischen Reiseveranstalter und Urlauber sind.
Die Anwohner wehren sich gegen die Verkürzung des Nachtflugverbotes. Die Lärmbelästigungen, das hat ihnen das
Bremer Hauptgesundheitsamt bestätigt, seien nicht zumutbar. Die Wirtschaftsbehörde hält dagegen: Der Flughafen muß ausgelastet werden. Die Lufthansa schränkt wegen ihrer betriebswirtschaftlichen Notlage Flüge ein, da muß das Chartergeschäft nach Bremen geholt werden. Der CDU-Fraktions-Chef Kudella erklärte gestern: „Wenn Bremen die halbe Stunde morgens und abends nicht zugibt, wird es bald einen weiteren Subventionsbetrieb haben.“
Gestern mischten sich auch die Gewerkschaften in die diskussion um die Lockerung des Nachtflugverbotes ein. Rosemarie Linder, Betriebsratsvorsitzende der Flughafengesellschaft, erklärte, daß „150 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet sind, wenn Hapag-Lloyd nicht nach Bremen kommt.“ Derzeit arbeiten bei der Flughafengesellschaft 320 Arbeitnehmer, die Zulieferbetriebe beschäftigen etwa 2.000 Menschen.
Auch ÖTV und DAG machen sich für die Lockerung des Nachtflugverbotes stark. Der Bremer flughafen sei dringend darauf angewiesen, daß das Chartergeschäft die Verluste im Linienverkehr ausgleiche, erklärte gestern der zuständige ÖTV-Sekretär Rainer Müller. Die Deutsche Angestellten Gewerkschaft setzte noch eins drauf: „Ohne Auswietung der Flugzeiten am Bremer Flughafen sind mehr als 2.000 Arbeitsplätze unmittelbar gefährdet“, rechnete DAG-Bezirkssekretär Hartmut Frensel gestern vor. Die Gewerkschaft habe „die Schnauze voll“. Bürgermeister Wedemeier und Wirtschaftssenator Jäger hätten dem Hapag- Lloyd-Vorstand bereits eine entschprechende Zusage für die Ausweitung der Verkehrszeiten beim Bremer Flughafen gemacht, jetzt müßten sie eingehalten werden.
Inzwischen haben Flughafengegner eine Senatseingabe gegen die Ausweitung der Verkehrszeit beim Airport eingereicht. Die eingabe werde „auf jeden Fall zur Kenntnis genommen“, erklärte Senatssprecher Klaus Sondergeld. Auch Sondergeld geht derzeit noch davon aus, daß am Dienstag eine Entscheidung im Senat gefällt wird. Markus Daschner
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