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VEB-Namenslosigkeit als Handicap

■ Industrie-Kern im Osten braucht dringend West-Aufträge

Leipzig (taz) – Es war schon immer etwas teurer, sich besondere Wünsche zu erfüllen. Eine blühende Industrieregion sollte in Ostdeutschland entstehen – so jedenfalls hatten es sich die Bonner Regierungsspitzen ausgemalt. Zwar alimentiert der Staat die neuen Bundesländer jährlich mit dreistelligen Milliardensummen, doch der wirtschaftliche Niedergang ließ sich damit nicht aufhalten. Nun ist die Zeit des Schönredens vorbei, und selbst der Kanzler hat eingesehen, daß sich die bisherigen Strategien für den „Aufschwung Ost“ als Fehlkalkulation erwiesen haben. Die industriellen Kerne, so will es die Bundesregierung jetzt, sollen erhalten bleiben.

Die wichtigsten der noch knapp 3.000 bei der Treuhand verbliebenen Ostfirmen können erst einmal aufatmen. Rund 500 von ihnen, zumeist aus dem Ausrüstungs- und Investitionsgüterbereich, werden mit neuen Milliardeninvestitionen hochgepäppelt. Bereits in diesem Jahr hat die Treuhand für die Sanierung rund 100 Milliarden Mark aufgebracht, davon allein zwei Drittel für die Übernahme von Altschulden. Doch daß mit der Garantieerklärung aus Bonn die Probleme der Betriebe längst nicht gelöst sind, davon kann die Managerriege um Treuhand-Chefin Birgit Breuel ein Lied singen. „Der industrielle Kern“, forderte die stramme Marktwirtschaftlerin auf der ersten Treuhand-Messe in Leipzig, „braucht und verdient jetzt Aufträge aus dem Westen.“ Denn noch immer ist die prekäre Absatzsituation einer der Hauptgründe, daß sich die Firmen nicht aus dem Abwärtssog freischwimmen können. Die Ostmärkte sind zusammengebrochen, auf Investoren wirkt das geradezu abschreckend.

Dabei sind sich selbst die Wirtschaftsfachleute und Marketingexperten einig, daß es meist nicht an konkurrenzfähigen Produkten mangelt. Wer die Stände der 200 Ost-Aussteller abklappert, kann sich ein Bild davon machen, daß ostdeutsches „Made in Germany“ sich keineswegs hinter westdeutschen Maßstäben verstecken muß. Aber wer kauft schon, was er gar nicht kennt?

So haben die Treuhänder nun ein neues Feld ausgemacht, auf dem sie aktiv werden wollen: Die Hersteller sollen aus der „VEB- Namenslosigkeit“ (Breuel) herausgeholt werden. Erst einmal wird die öffentliche Hand aufgefordert, ostdeutsche Produkte zu kaufen. Doch mit patriotischen Appellen allein lassen sich noch lange keine dicken Auftragspolster schaffen. Den oft namenlosen Ostprodukten gelingt es nur selten, in die über Jahre gewachsenen westdeutschen Lieferbeziehungen einzudringen, ganz zu schweigen vom globalen Handel. Doch früher oder später führt kein Weg am Weltmarkt vorbei.

Daß es mit oft simplen Hilfestellungen möglich ist, DDR-Marken wieder aus dem Schattendasein zu befreien, hat Volkswagen vorexerziert: Die Wolfsburger Autobauer bieten nicht nur MZ-Motorräder aus Zschopau im weltweiten VW- Vertrieb an, sondern unterstützen auch den Materialeinkauf über günstigere VW-Konditionen.

Für den VW-Spartenchef und künftigen Konzernvize Daniel Goeudevert steht denn auch das bundesrepublikanische Eigeninteresse im Vordergrund: Die Wirtschaft, so Goeudevert auf dem Leipziger Treuhand-Kongreß, müsse zwar Profite erwirtschaften, aber auch den Menschen dienen. Dabei immer nur auf die Quartalsbilanzen zu schauen sei fatal – für bestimmte Zwecke müßten Umsatzrenditen eben einmal auch aufgeschoben werden. Daß sich die Deindustrialisierung mit dem Walten reiner Marktwirtschaft nicht aufhalten läßt, ist selbst unter Industriellen inzwischen unbestritten. „Adam Smith ist hier überfordert“, pflichtet Deutschlands oberster Bahnvorsteher Heinz Dürr bei, nun seien strukturpolitische Entscheidungen fällig. Schließlich sprechen die Zahlen für sich: Zählte Ostdeutschland zu DDR- Zeiten noch 3,6 Millionen Industriebeschäftigte, so sind heute noch rund 800.000 übriggeblieben– bei einem Industriebesatz wie im Westen müßten es doppelt so viele sein. Die Stimmung im Osten entspricht genau der Lage: Zum Auftakt der Treuhand-Messe protestierten rund 4.000 Arbeitnehmer gegen ein weiteres Planieren von Ostbetrieben. Nach Ansicht der Gewerkschaften kommt die ordnungspolitische Wende ohnehin zu spät: Mit der schnellen Privatisierung – zum Ende des Jahres werden 85 Prozent der Ostbetriebe privatisiert oder liquidiert sein – sei eine Chance vergeben worden, den Betrieben die Anpassung zu ermöglichen. Erwin Single

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