: "Pfui Teifi!"-betr.: "Rhytmische Gewissenbisse" (Bayerisches Familienministerium verbreitet Musikkassette gegen Abtreibung), taz vom 30.11.92
betr.: „Rhytmische Gewissensbisse“ (Bayerisches Familienministerium verbreitet Musikkassette gegen Abtreibung),
taz vom 30.11.92
Es ist unglaublich, aber wahr – bigotte, heuchlerische „Lebensschützer“propaganda wird mit Steuermitteln finanziert und via Massenmedium unters Volks gebracht. Irgendwie erinnert mich das an die „Goebbelsschnauze“ (Volksempfänger), aus der die täglichen Verlautbarungen des Führers und des Propagandaministeriums tönten. Ja mei, wo leben wir denn?
Hier wird mit übelsten demagogischen Methoden versucht, Frauen ein schlechtes Gewissen zu machen, sie durch die Erzeugung von Schuld- und Schamgefühlen noch gefügiger und lenkbarer zu machen. Sieht mensch alle Ereignisse, Bestrebungen und psychischen Pressionsversuche der letzten zehn Jahre zusammengefaßt, so wird der angestrebte Trend deutlich erkennbar – die dahinterstehende Geisteshaltung natürlich auch – Frauen sollen kein eigenständiges, selbstbestimmtes Leben führen dürfen, mit Rechten, wie sie für Männer schon immer gültig waren. Sie sollen zu Objekten degradiert werden, die nur die Pflicht haben, leistungsstarken, erbgesunden Nachwuchs auszubrüten und aufzuziehen. Es wird angestrebt, sie in funktionierende menschliche(?) Maschinen umzuwandeln, die unbezahlte Arbeit leisten, der Lustbefriedigung der Männer dienen – wahlweise auch dem Aggressionsabbau durch Gewaltanwendung gegen sie –, als Brutkästen für genmanipuliertes Leben herhalten müssen – egal ob lebendig oder tot. [...]
Dazu fällt mir eben nicht nur Hitler und sein Propagandist Goebbels ein, sondern, gerade jetzt, das Verhalten von Ärzten und Politikern. Vor allem aber und ganz besonders, das Wirken einer frauen- und menschenfeindlichen Kirche, die weder vor Psychoterror noch vor Anrufen zu verdeckter Gewaltanwendung gegen Andersdenkende (die Papstkirche kritisierende) zurückschreckt. Macht geht vor Menschenwürde und vor das Selbstbestimmungsrecht von Frauen sowieso. Ich kann nur sagen: „Pfui Teifi.“ Renate Helling, Berlin
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