: Wand an Wand mit den Baggern
■ Altona: Abrißbirne soll letzten Mieter weichklopfen / Baustopp aufgehoben
Bei Lüder Reichenberg wackeln im wahrsten Sinne des Wortes die Wände. Nur wenige Meter neben dem Atelier des Spezialisten für Raumakustik fahren seit Dienstag zwei Bagger auf und ab. Eine Abbruchfirma reißt den ehemaligen „Garagenhof H. Krafft“ an der Bahrenfelder Straße 34 nieder, weil die Jörg Nelte GmbH dort 70 Wohnungen bauen will. Dagegen spräche nicht allzuviel, würde dort nicht noch jemand sein. Wand an Wand grenzt die zum Abriß freigegebene Garage an das von Reichenberg genutzte Kontorhäuschen.
„Ich habe Angst, daß hier alles zusammenkracht“, sagt Reichenberg. Der 28jährige ist der letzte Mieter in dem Gebäudekomplex, der noch nicht zum Auszug überredet wurde. Sein Vertrag ist bis September 2000 gültig. Der Verwalter des Geländes, Peter Beecken, hat ihn mehrfach aufgefordert, auszuziehen. Im Dezember'91 bekam er eine Kündigung, die unwirksam war. Dann mehrere Anrufe und ein Angebot von 20000 Mark Abfindung. Seit Mitte Oktober ist die Wasserversorgung defekt. Montag früh kamen die Bagger. Es ist zu vermuten, daß der Spuk Methode hat. Weicht der junge Mann nicht, kann Bauunternehmer Nelte sein Projekt vergessen. Oder er müßte zumindest drum herum bauen.
Reichenberg: „Ich würde ja ausziehen, wenn man mir hier im Stadtteil Ersatz anbietet“. Doch die Verhandlungen mit dem Verwalter scheiterten schon am Tonfall: „Der hat mich gleich so angepöbelt“.
Für Peter Beecken, der im Auftrag der Nelte GmbH den Abriß vorbereitet hat („Das waren dort Zustände wie im alten Rom“), sind die Ansprüche des Mieters indisku-
1tabel: „Das ist kein Büro, das ist doch ein Rattenloch“. Da könne er froh sein, wenn er 20000 Mark Abfindung bekäme. Das Gebäude könne sowieso jeden Tag einstürzen. „Ob das gefährlich ist, das interessiert mich nicht. Das ist Sache des Abbruchunternehmers.“
Als dieser am Dienstag die Sache begutachtete, war er skeptisch. Es sei kaum möglich, das Gebäude
1drum herum abzureißen, ohne daß das Atelier Schaden nimmt, beschied er Mieter Reichenberg. Doch glaubt man dem Bauprüfamt Altona, so ist inzwischen alles paletti. In Gesprächen mit dem Architekten sei vereinbart worden, beim Abriß zu sein, versicherte der zuständige Beamte gegenüber der taz. Ein kurzfritiger Baustopp wurde gestern wieder aufgehoben.
1Es wird weitergebaggert.
Ob sicher oder nicht sicher, für Reichenbergs Anwalt Jens Wassmann ist klar, „daß es dem Vermieter verboten ist, störend auf eine Mietsache einzuwirken“. Sollten also weiter die Wände wackeln oder demnächst der Putz runterfallen, habe sein Mandant einen Anspruch auf Unterlassung. Kaija Kutter
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