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Alle wollen die Bundeswehr nach Somalia schicken

■ Regierung und Opposition plädieren für deutsche Beteiligung am Militäreinsatz in Somalia/ SPD, FDP und Bündnis 90 verlangen zuvor Verfassungsänderung

Bonn (taz) – Solange durcheinandergeredet wird, wird nicht geschossen. Es schien gestern, als stünde dieses geheime Motto über der Bonner Debatte um eine Beteiligung der Bundeswehr an UN- Militäreinsätzen. Einhellig plädierten Vertreter aller Parteien, ausgenommen die PDS, für eine deutsche Beteiligung am UN-Einsatz in Somalia. Ebenso einhellig lehnten sie Gespräche über eine entsprechende Verfassungsänderung ab – wenn auch mit unterschiedlichen Begründungen. Die „Selbstblockade der deutschen Politik“, von der Verteidigungsminister Volker Rühe (CDU) vor einigen Tagen gesprochen hatte, schien nie absurder als gestern – zumal sich die Christdemokraten trotz ihrer militanten Rhetorik erneut als die führenden Blockierer erwiesen.

Am liebsten noch heute, so verlautbarten die Abgeordneten der Union, würden sie weitere Soldaten losschicken. Verfassungsrechtlich sei das möglich, behauptete ihr Abgeordneter Karl-Heinz Hornhues, scheitere aber an der fehlenden Einigung mit der FDP. Die Verfassungsänderung sei „zwingend notwendig“, bevor man die Soldaten losschicken könne, korrigierte FDP-Fraktionschef Hermann Otto Solms. Angesichts der Beschlußlage der SPD sei sie zur Zeit jedoch nicht möglich.

Prompter Widerspruch kam vom außenpolitischen Sprecher der SPD-Fraktion, Karsten Voigt. Er befürworte durchaus eine deutsche Beteiligung in Somalia. Woran es jedoch fehle, sei ein gemeinsamer Vorschlag der Regierungskoalition, wie die Verfassungsänderung aussehen sollte. Noch seien CDU/CSU und FDP „unfähig und unwillig“, diese Einigung herzustellen. Selbst Gerd Poppe (Bündnis 90/Grüne) wollte nicht abseits stehen und plädierte für eine deutsche Teilnahme in Somalia. Denn, so Poppe, die UN- Aktion am Horn von Afrika sei „eindeutig ein Einsatz, der humanitären Zwecken dient“. Es sei die CDU, die die notwendige Verfassungsänderung blockiere, solange sie dabei nicht „einen Freibrief für Bundeswehreinsätze out of area“ erhalte, der auch die Teilnahme an Kriegen wie den am Golf einschließe.

Der einzige, der nun versuchen will, den Knoten durchzuhauen, ist Außenminister Klaus Kinkel. Während gestern mittag FDP- Fraktionschef Solms vor Journalisten Gespräche mit der SPD-Opposition noch als nutzlos abtat, fütterte die Pressestelle des FDP-Ministers bereits die Fax-Geräte mit einer Einladung an die Sozialdemokraten.

Noch vor dem Bonn-Besuch von UN-Generalsekretär Boutros Ghali am 11. und 12. Januar sollten sich die Fraktionschefs von Union, FDP und SPD und die betroffenen Minister zu einem Gespräch treffen, „um Klarheit über die künftigen Bedingungen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr zu schaffen“. Man müsse dem UN- Generalsekretär, der sich bereits öffentlich den Einsatz deutscher Soldaten bei UN-Einsätzen gewünscht hatte, bei seinem Besuch ja „etwas sagen können“, meinte ein Kinkel-Sprecher.

Die Chancen dafür sind trotz allen Theaterdonners offensichtlich gestiegen. Der Fall Somalia, das zeigte sich gestern, hat die Bonner Fronten durcheinandergebracht. Für die SPD ist es nicht einmal ein Hinderungsgrund, daß in Somalia keine Blauhelme im Einsatz sind. Karsten Voigt sprach von einer „Weiterentwicklung“ der Blauhelme. Seine Partei sei auch durchaus bereit, Kampfaufträge im UNO-Auftrag „zu prüfen“, versicherte Voigt. Daß es sich in Somalia, zumindest „in der ersten Phase“, um eine „friedensstiftende Aktion“ handele, bei der es mit den bewaffneten Banden zu Kämpfen kommen kann – darauf verweist die Bundesregierung mit gewissem Recht.

Überlegungen der CDU, jetzt schon Pioniere und Sanitäter für ein Feldlazarett nach Somalia zu schicken, lehnte das Bundeskabinett gestern – offenbar auf Druck von Kinkel – ab. Der Außenminister nahm Rücksicht auf die SPD, die diese Pläne gestern früh heftig kritisiert hatte.

Deshalb bleibt es einstweilen bei den zwei deutschen Transall- Maschinen, die jetzt schon für Hilfsflüge zwischen Kenia und Mogadischu unterwegs sind. Auch Verteidigungsminister Rühe ließ bekräftigen, zumindest eine „verfassungspolitische“ Klarstellung sei nötig, bevor man mit einem deutschen Militäreinsatz Menschenleben riskieren könne. Rühes Termin für einen ersten deutschen Blauhelm-Einsatz liegt ohnehin in einer gewissen Ferne. Erst ab dem 1. Oktober 1993, so die bisherige Planung, sollen vier Bataillone mit je 600 Mann bereitstehen. Hans-Martin Tillack

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