: Plakatieren oder schweigen?
■ Eltern behinderter Kinder sind unsicher: wie auf die Bedrohung von Rechts reagieren?
Plakatieren oder schweigen?
Eltern behinderter Kinder sind unsicher: wie auf die Bedrohung von Rechts reagieren?
Die Mutter eines behinderten Kindes hat Drohanrufe und anonyme Briefe bekommen. „Wir räuchern Euch aus!“ drohten die Unbekannten und setzten hinzu: „Sieg, Heil!“ Bestürzung bei den Eltern, deren Kinder gemeinsam mit dem bedrohten Kind in die Schule an der Philipp-Reis-Straße gehen. „Ich glaube, wir haben alle einen Schock bekommen“, beschreibt Rektor Wolfgang Pahl die Stimmung: „Auf einmal war die Bedrohung nicht da oder dort, sondern hier bei uns!“ In die Bestürzung mischt sich auf der Elternversammlung in der Philipp-Reis-Straße Ratlosigkeit: Wie auf die Bedrohung von Rechts reagieren? „Wo Unrecht geschieht, stehe auf und erhebe deine Stimme“, deklamiert ein Vater. Die Mutter eines behinderten Kindes hält dagegen: „Wir dürfen unsere Kinder nicht zur Zielgruppe machen!“
Den anonymen Drohungen war ein Fernsehbericht des Regionalmagazins buten & binnen vorausgegangen, in dem Eltern längst fällige Feuerschutzmaßnahmen für die Schule Am Wandrahm forderten. „Dieser Filmbericht“, behauptet die Mutter, die vor Öffentlichkeit warnt, „hat uns sehr geschadet“. Andere Eltern widersprechen: Unsere Kinder waren immer schon Zielgruppe unnd Außenseiter. Wir dürfen uns nicht verkriechen und Angst zeigen. Es ist gefährlich zu schweigen. Unsere Kinder bekommen das doch mit, wenn wir solche Vorfälle stillschweigend übergehen. Wir müssen alle was tun.
Fragt sich nur, was? Plakatwände mieten, schlägt eine Frau vor. Die lesen diejenigen, an die sie sich richten, sowieso nicht, wird abgewehrt. Verschiedene Erklärungen und Offene Briefe sind entworfen worden, in denen alle BremerInnen aufgerufen werden, sich mit den Behinderten zu solidarisieren. Daß behinderte und nicht- behinderte Kinder gemeinsam zur Schule gehen, wird als gelungene Integration begrüßt und soll, so fordern die Eltern, gefördert werden. Und Bürgermeister Wedemeier und Bürgerschaftspräsident Klink sind aufgefordert, alle BremerInnen zu einer großen Demonstration gegen Rechts aufzurufen. Auf die Intoleranz im kleinen wird hingewiesen: 200 SchülerInnen besuchen die Philipp-Reis- Straße, 12 von ihnen sind behindert. Aber „von Viertklässlern kommen ziemlich behindertenfeindliche Äußerungen“, berichtet eine Mutter. „Da heißt es dann, hier stinkt's nach Behinderten.“ Und die Lehrer geben nicht unbedingt das beste Vorbild, ergänzt eine andere: „Sie machen auch dumme Sprüche.“
Doch obwohl es einen gemeinsamen Feind, dort rechts, gibt, beginnt man, Worte zu klauben und um Formulierungen für öffentliche Aufrufe zu ringen. Die einen warnen vor einer zu starken Politisierung, die anderen fordern, das Gespräch mit „diesen verbiesterten Menschen“ zu suchen. Unmöglich, widersprechen andere: Diese Leute sind fanatisch! Wir müssen die mit der Masse platt machen.
Es wird vereinbart, sich in kleineren Gruppen zu treffen, um gemeinsam Aktionen zu planen. Zum Beispiel: Zwei bosnische Flüchtlingskinder, die seit neuestem die Schule in der Philipp- Reis-Straße besuchen, mit Schulranzen auszustatten.
Briefe und Drohanrufe kämen mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht aus dem rechten Spektrum, hat die Polizei einer der bedrohten Mütter inzwischen mitgeteilt. Diemut Roether
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