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Die Stahlkrise erreicht Hamburg

■ Entlassungen und hartes Sparprogramm für die Hamburger Stahlwerke geplant / Stadt soll für höhere Kredite bürgen

und hartes Sparprogramm für die Hamburger Stahlwerke geplant / Stadt soll für höhere Kredite bürgen

Die Hamburger Stahlwerke (HSW), mit knapp 900 Beschäftigten eines der größten Hamburger Industrieunternehmen, stecken in massiven Schwierigkeiten. Nur mit Mobilisierung der letzten Reserven wird es gelingen, den dieses Jahr erwarteten Verlust von 20 bis 30 Millionen Mark wegzudrücken. Dann sind die Belegschaft und die Stadtstaatskasse dran: „Wir werden massiv und in nie geahntem Ausmaß rationalisieren“, räumte Stahlwerke-Co-Chef Gerd Gustav Weiland gegenüber der taz ein. Auf Betriebsrätedeutsch: Jeder zehnte Arbeitsplatz soll gestrichen werden. Es wird Entlassungen geben.

Doch auch damit ist die Krise nicht gemeistert: Frisches Geld muß her. Dies soll die Stadt auf einem eleganten Umweg spendieren: Die jetzige Kreditlinie von 130 Millionen Mark durch die Stadtstaatstochter Hamburgische Landesbank muß heraufgesetzt werden. Damit die Bank das machen kann, soll die Stadt bürgen. Auf Senat und SPD- Führung wird deshalb derzeit erheblicher Druck ausgeübt. Nach taz-Informationen ist die SPD- Spitze bereits umgekippt. Das endgültige Okay der Kreditkommission steht zwar noch aus, gilt aber als weitgehend sicher. Nicht weniger wichtig, so erfuhr die taz, ist der Wunsch der HSW nach Änderung einer klitzekleinen Bedingung in dem Kreditvertrag zwischen HSW und Landesbank: In Zukunft soll das gepumpte Geld auch zur Deckung von Betriebsverlusten verwendet werden dürfen.

Die finanzielle Situation zwingt die HSW zu dieser Bitte: Selbst wenn das Sanierungsprogramm greift, wird, so Weiland, „1993 wohl leicht rot mit Verlusten von drei bis vier Millionen Mark.“ Kurz: Die Stadtstaatsbank soll Geld in HSW stecken, auch zur Deckung von Verlusten, die Stadt soll dafür bürgen. In diesem Geschäft ist die Stadt nicht ganz ohne Übung: Schon bei der Stahlkrise 1983 mußte die Stadt für eine 120-Millionen-Mark-Bürgschaft an die alten Hamburger Stahlwerke geradestehen (siehe Kasten). Auch damals mußte die Landesbank bluten. Zum diesmaligen Deal verweigert die Bank jede Auskunft: „Wir geben keine Informationen über unsere Kunden.“

Kunde Gerd Weiland gibt sich gesprächiger: Er erinnert sich noch gern an das „Agreement“ von 1983 mit der Landesbank, die ihm und seinem Partner Grosse damals das Geld für den Kauf der Stahlwerke vorstreckte. Für ihn gilt nach wie vor: „Die Stadt kann es sich nicht leisten, auf diesen Stromabnehmer und diese Bereicherung ihrer Produktionsstruktur zu verzichten.“ Weiland gibt sich optimistisch, die Krise auch diesmal zu meistern: Noch immer gehöre man zu den kostengünstigsten Walzdrahtherstellern. Die Krise kam diesmal durch die Einheit: Stahlwerke im Osten (Brandenburg), die früher für den Comecon produzierten, „drücken jetzt“, so Weiland, „gemeinsam mit den Tschechen volle Pulle auf den westeuropäischen Markt.“ Da wg. Rezession und Währungsverfall die Nachfrage absackte, weil Italien und England als Abnehmer total ausfielen, gingen die Preise in den „Sturzflug“.

Ob Weiland und Co die Schlacht mit den europäischen Überkapazitäten gewinnen können, hängt entscheidend an einem weiteren Stadtstaatsunternehmen: Die HEW kassieren jährlich knapp 80 Millionen Mark für Strom. „Absolut kostendeckend“, meint Weiland. „Viel zu wenig“, kontern Umweltexperten. Der Strompreisvertrag läuft Mitte 1994 aus. Verlangen die HEW dann höhere Preise, wäre dies wohl das Ende der HSW. Florian Marten

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