: Vor der Tür
■ „Ein Mann kommt nach Deutschland"
Lebensmüde steht der Heimkehrer Beckmann nach 1000 Tagen Sibirien an der Elbe; Gelegenheit für die erste einer Reihe von allgemeinen Erkenntnissen über Leben und Sterben: „Nur ein paar kreisförmige Wellen bleiben — ein Mensch stirbt.“
Das Stück „Ein Mann kommt nach Deutschland“, das gestern im MOKS-Theater Premiere hatte, bietet keine zusammenhängende Geschichte. Kurze Szenen bebildern die Erlebnisse heimatloser Kriegsheimkehrer, deren historischen Ort man nicht recht einordnen kann. So unterschiedlich ihre Schicksale sind, die Rückkehrer tragen alle denselben Namen: Beckmann.
In Anlehnung an Borcherts „Draußen vor der Tür“ inszeniert Ulrich Pannike die rauhe Wirklichkeit derer, die Zurückkommen: die Verzweiflung zum Beispiel über den Tod der Eltern und Arbeitslosigkeit. Die Hiergebliebenen machen sich lustig über die häßliche Gasbrille — Mitgefühl haben sie nicht.
Vor dem schwarzen Bühnenhintergrund heben sich die düsteren Gestalten kaum ab. Harsche Sprünge, von einem Beckmann zum anderen, von einer erlebten Enttäuschung zur nächsten, sind charakteristisch.
Die „Beckmans“ dieser Welt, werden in wechselnder Besetzung von Anselm Haese, Viola von Lewinski und Suzanne Andres gespielt.
Das einstündige Bühnenstück will nicht beim Nachkriegs-Beckmann von Borchert verharren. Bisweilen stark assoziativ wird der Bezug zu heute gesucht: Mit Song- und Textfragmenten von ärmel-aufgekrempelter Heiterkeit und ironischem „Links-2-3-4, denn ich hab ja den Kopf noch fest auf dem Hals“ spannt sich der Bogen zu apokalyptischen Visionen der Gegenwart: „Ich habe das Gefühl, daß wir uns nach einem neuen Planeten umschauen müssen“.
Der Versuch, Ausländer hier einzubeziehen, wie im Veranstaltungsbeiheft unter dem Thema „Drinnen vor der Tür“ angedeutet, findet nur zum Schluß statt. In einer kleinen Nebenrolle tritt Biliamin Bakare- Tinko als „Der Andere“ auf die Bühne. Anders als die verzweifelten Weißen wirkt er gelassen, singt melancholische Melodien. „Come on, you got a life to live!“ Warum er so anders sein kann als die „Beckmanns“ bleibt allerdings ein Rätsel.
ede
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