: Bobby Fischer schachmatt
■ Die US-Justiz erließ Haftbefehl wegen Verstoßes gegen die Jugoslawien-Sanktionen gegen den Ex-Schachweltmeister
Washington (taz/AP) – Der ehemalige Schachweltmeister Bobby Fischer wird sich demnächst wohl schwertun, seine frisch verdienten 3,35 Millionen Dollar auszugeben. Er wurde am Dienstag in Washington wegen Verstoßes gegen die internationalen Sanktionen gegen Jugoslawien angeklagt. Zugleich wurde ein Haftbefehl erlassen. Da sich Fischer im Moment aber in einem Hotel in Belgrad aufhält, ist er dem Zugriff der US-Behörden entzogen. Fischers Leibwächter Goran Simic teilte mit, sein Chef wolle keine Stellungnahme abgeben.
Am 1. September noch hatte Fischer bewiesen, daß er – nachdem er jahrelang verschwunden war – nicht unbedingt der genialische Eremit ist, zu dem ihn viele in seiner Abwesenheit mystifizierten, sondern durchaus das Medienmonopoly beherrscht. Auf einer Pressekonferenz spuckte er auf ein Schreiben, in dem ihn das US-Finanzministerium aufforderte, nicht an dem Schaukampf gegen Boris Spasski teilzunehmen. Fischer gewann in den folgenden Monaten im Ferienort Sveti Stefan und in Belgrad das als Revanche des WM-Duells von Reykjavik 1972 getarnte Spektakel. Nach dem Gesamtsieg gegen den gebürtigen Russen Spasski bezeichnete er sich anschließend selbst als legal amtierender Weltmeister. Finanziert wurde die Posse von dem vermutlich in Waffengeschäfte und Geldwäscherei verwickelten Unternehmer Vasilievich, um das Image Serbiens aufzumöbeln.
US-Bundesanwalt Jay Stephens erklärte in Washington, die Anklageerhebung und der Haftbefehl bedeuteten, daß Fischer in Jugoslawien praktisch „schachmatt gesetzt“ sei. Stephens sagte: „Es ist doch nicht zuviel, wenn man von Mr. Fischer verlangt, er solle sich an das Gesetz halten, anstatt sich die Taschen vollzustopfen.“
Amerikanern ist es per Präsidentenanordnung untersagt, geschäftliche Beziehungen mit dem nur noch aus Serbien und Montenegro bestehenden Rest-Jugoslawien zu unterhalten. Die Verordnung wurde von Präsident George Bush unter Rückgriff auf ein Gesetz erlassen, wonach im Fall internationaler Notfälle besondere wirtschaftliche Maßnahmen angeordnet werden können.
Richard Newcomb, Abteilungsleiter im Finanzministerium, wollte den Haftbefehl gegen Fischer als Warnung an andere potentielle Sanktionsbrecher verstanden wissen, bestritt aber, daß bewußt ein solch spektukaläres Opfer gewählt wurde. Im Fall einer Verurteilung drohen Fischer bis zu zehn Jahre Haft, eine Viertelmillion Dollar Geldstrafe, Einziehung seines Preisgeldes und zehn Prozent Abzüge von allem, was er sonst noch im Zusammenhang mit dem Turnier verdient hat.
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