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Land in Blut und Asche

■ Gastregisseur Francois-Michel Pesenti zur Premiere von Eduard II

Seit Ende Oktober hat der junge französische Regisseur Francois-Michel Pesenti mit dem Ensemble des Schauspielhauses geprobt. Heute abend nun steigt die Premiere des frühen Brecht Stückes: „Das Leben Eduards II“ im Theater am Goetheplatz.

„Heyme kennt mich aufgrund meiner Inszenierungen in Marsaille, wo ich seit 1983 eine Theatergruppe leite, und durch meine Gastregien in Basel, Nürnberg und Düsseldorf. Er hat mich eingeladen, in Bremen ein Stück meiner Wahl einzustudieren“, sagt Pesenti im Gespräch mit der taz. „Ich erinnerte mich an dieses frühe Brechtdrama, das zwischen Im Dickicht der Städte und Mann ist Mann 1923 entstanden ist. In meiner Erinnerung ging es im Leben Eduards II um einen Menschen voller untergründiger Gewalt, dem die Welt grausam unvollständig erschien, und der bereit war, sein Land in Blut und Asche zu stürzen, um für eine andere Person, seinen geliebten Gaveston, etwas zu erreichen. Beim erneuten Lesen sah ich, daß es in dem Stück vielmehr um Ehrgeiz geht, und noch allgemeiner, um den Versuch der Figuren, ihre große innere Leere zu überdecken. Deshalb interessiert mich am Leben des Eduard auch nicht die Schwulengeschichte, die ja im Film von Derek Jarmann so wichtig ist, sondern der Krieg zwischen Menschen, die sich demaskiert und nackt gegenüberstehen.“

hier den Mann hin

Pesenti spricht lebhaft und engagiert und auf französisch, was kein Verständigungsproblem ist, weil seine enge Mitarbeiterin und Simultanübersetzerin Angela Konrad leichtsprachig vermittelt.

Das muß sie auch während der Proben tun, hin- und herspringen zwischen Regisseur und Schauspielern, und nicht nur Worte, sondern auch Emotionen übersetzen. Letzteres vor allem ist nicht immer einfach, denn das französische Theater hat andere Gesetze als das deutsche.

„In Frankreich“, so Pesenti, „konzentriert sich eine Truppe immer auf ein einziges Stück, mit dem sie dann auf Tournee geht. Fest installierte Theater mit ihrer inneren Struktur wie hier gibt es bei uns nicht. In Deutschland dagegen spielt dasselbe Ensemble immer in mehreren Stücken. Mittags proben sie mit mir den Eduard, abends spielen sie Nathan. Es ist verrückt, wie viel die Schauspieler am Bremer Theater arbeiten und sehr verwunderlich, daß sie nicht schon völlig ausgelaugt sind.

Eine andere Sache ist, daß das Publikum in Deutschland andere Erwartungen an eine Inszenierung stellt als in Frankreich. Die deutschen Zuschauer kommen wegen des Stückes, sie wollen Ideen auf der Bühne realisiert sehen. Die Franzosen bevorzugen die Gefühle und sie suchen nach einer Vision des Theaters. Ich selber bin auch nicht sehr an einer nacherzählbaren Geschichte interessiert, ich habe den Handlungsstrang des Stückes auf das Notwendigste reduziert. Mich interessiert, daß die Schauspieler, jeder Einzelne, die Frage nach der Notwendigkeit des Theaters beantworten können. Nicht als Diskurs, sondern indem sie auf der Bühne vom Leben sprechen, vom gefühlten und gelebten Moment, der ohne sie verloren sein würde.“ CoK

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