Milliarden für U-Bahn

■ BVG bestellt für 1,4 Milliarden Mark 115 neue Züge / Finanzierung ist ungesichert / Kritik von Bündnis 90/Grüne

Berlin. Die Berliner Verkehrs- Betriebe (BVG) haben die größte Bestellung für neue U-Bahn-Züge aufgegeben, die es jemals in Europa gegeben hat. Gestern unterzeichnete das Nahverkehrsunternehmen einen Großauftrag mit der „ABB Henschel Waggon Union“ über die Lieferung von 115 U-Bahn-Zügen, die bis zum Jahr 2000 ausgeliefert werden sollen. Von dem 1,4 Milliarden Mark teuren Auftrag soll ABB etwa vier Fünftel an die Reinickendorfer Waggon Union vergeben.

Die Fenster der neuen Züge werden im Vergleich zu denen der heute verkehrenden Bahnen vergrößert. Außerdem wird der neue Zug, von der BVG als „U-Bahn 2000“ bezeichnet, vom ersten bis zum letzten der insgesamt sechs Wagen begehbar sein. Die Zahl der Steh- und Sitzplätze soll von heute 708 auf 770 erhöht, der Transport von Rollstühlen und Fahrrädern erleichtert werden. Die ersten beiden 12,5 Millionen Mark teuren Prototypen sollen ab Herbst 1995 voraussichtlich auf der Linie U9 (Osloer Straße–Rathaus Steglitz) verkehren. Die Auslieferung der Serienmodelle soll 1997 beginnen. Noch ist unklar, wie angesichts der angespannten Haushaltslage die 1,4 Milliarden Mark finanziert werden können. Gestern nachmittag war dazu weder bei der BVG, noch bei der Verkehrsverwaltung eine Stellungnahme zu erhalten.

Die Fraktion Bündnis 90/Grüne kritisierte gestern die Milliardenbestellung. Michael Cramer, verkehrspolitischer Sprecher, forderte, daß auf Grund des Alters zuerst die Tram und dann die S-Bahn modernisiert werden müsse.

Rainer Giesel, verkehrspolitischer Sprecher der CDU, begrüßte dagegen die Unterzeichnung des Vertrages. Auf Grund der Großbestellung hätte die BVG besonders günstige Lieferbedingungen erhalten. Außerdem habe sich das Unternehmen vorbehalten können, „relativ schadlos“ von Teilen des Vertrages zurückzutreten. Der CDU-Sprecher versuchte Cramers Kritik zu relativieren: Für die Straßenbahn sei ebenfalls ein Modernisierungsprogramm vorbereitet.

Der Hintergrund für den kurzfristig vor Jahresende erteilten Auftrag soll das neue EG-Recht sein, daß ab Januar gilt. Ab kommenden Jahr muß die BVG europaweit ausschreiben – der Auftrag wäre der deutschen ABB vermutlich durch die Lappen gegangen, hieß es aus gut informierten Kreisen. Dirk Wildt