: Schrecklich nette Familie
■ Sieben neue Folgen rechtzeitig zum Fest: Die Fussbroichs, 26. 12., 20 Uhr, West3
Sie waren der Hit im letzten Weihnachtsprogramm des Westdeutschen Rundfunks, und auch die Juroren des Grimme-Preises waren so angetan, daß sie für „Die Fussbroichs“ gleich einen bronzenen Fernseh-Oscar rausrückten. Und da nichts so sehr nach Fortsetzung verlangt wie der Erfolg, gibt's nun sieben brandneue Episoden aus dem wirklichen Leben der ganz normalen Durchschnittsfamilie Fussbroich aus Köln-Buchheim zu bestaunen.
So dürfen wir denn eine Woche lang allabendlich teilhaben, wie Fred, Annemie, Muttersöhnchen Frank und seine Verlobte Pia zwischen Küchentisch und altdeutscher Sitzlandschaft jene Probleme wälzen, die das Sein alles Seienden so sein lassen, wie es nun mal ist. Ist die Jugend heute freier? Lohnt es sich, eigens Englisch zu lernen, wo man doch mit Deutsch auf Ibiza, Rhodos und selbst an türkischen Gestaden „prima durschkommt“?
Soll Fred seinen Body in den hautengen, knallbunten Freizeitdress zwängen oder sich doch lieber für die schwarzweiße Nahkampf-Latzhose entscheiden? „Die Fussbroichs“ sind fraglos das härteste Stück Reality-TV, das je über die Schirme der Republik geflimmert ist, aber das Leben selbst wäre natürlich noch um einiges härter. Regisseurin Ute Diehl versteht ihr Projekt dankenswerterweise als „Unterhaltungsserie“ und hat die proletarische Tristesse mit Kleinbürger-Charme am Schneidetisch wieder in kleine, leichtverdauliche Häppchen zerlegt. Auch wenn man schon mal ein Zucken im Zeigefinger verspürt, wenn Fred und Annelie in ihrem gemäßigten (Pia ist schließlich „Halbitalienerin“) Rassismus konsterniert feststellen, daß es in Paris von Ausländern nur so wimmelt, in erster Linie sind „Die Fussbroichs“ Akademiker-Fernsehen zum hemmungslosen Ablachen. Denn daß Fred und die Seinen auf die Idee kämen, sich so etwas freiwillig in der heimischen Flimmerkiste anzusehen, das ist mehr als unwahrscheinlich.
Die letzte Episode wird übrigens am Heiligen Abend aufgezeichnet und dann in Windeseile bearbeitet. Schade, denn das Fest der Fussbroichs gehörte eigentlich live übertragen. Sechs Stunden lang und ungeschnitten. Schon hätte man die Gewißheit frei Haus, daß die eigenen Eiertänze rund um die Tanne in all ihrer Kläglichkeit noch lange nicht der Gipfel sind. Hubert Hottner
Die weiteren Folgen: jeden Abend bis einschließlich 3. Januar 1993, 20.00 Uhr. Allen Nicht-West3- Empfängern zum Trost sollen die Episoden im nächsten Jahr in der ARD wiederholt werden. Mit Untertiteln, versteht sich. Von wegen, mit „Deutsch kommste überall prima dursch“.
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