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Alte demokratische Gesichter in Clintons Team

■ Außen- und sicherheitspolitische Mitarbeiter der US-Administration vorgestellt

Washington (taz) – So ungern sich viele US-Amerikaner an den letzten Präsidenten der Demokraten, Jimmy Carter, erinnern mögen, sie werden in den nächsten vier Jahren viele bekannte Gesichter aus seiner Administration wiedersehen. Als Bill Clinton am Dienstag sein außen- und sicherheitspolitisches Team vorstellte, kamen unter Demokraten fast nostalgische Gefühle auf. Mit dem neuen Außenminister Warren Christopher, dem neuen Sicherheitsberater Anthony Lake, dessen Stellvertreter Samuel Berger und der zukünftigen UN-Botschafterin Madeleine Albright stammen gleich vier außenpolitische Schlüsselfiguren aus der Carter-Administration, deren Expertise niemand anzweifelt. Doch zu den Visionären einer neuen US-Außenpolitik der Clinton-Administration gehören sie nicht.

Das gilt vor allem für den 67jährigen Christopher, einem Pragmatiker mit wenig Charisma und viel Verhandlungstalent, der unter Carter als stellvertretender Außenminister unter anderem 1980 die Freilassung der US-Geiseln in Teheran erreichte. Im Verlauf des Wahlkampfs und als Chef des Übergangsteams hat sich Christopher Meriten verdient: Die Wahl von Al Gore zum Kandidaten für das Amt des Vizepräsidenten geht ebenso auf sein Konto wie die relativ ruhige Personaldebatte.

Die Aufgabe, langfristige Perspektiven und Strategien für die US-Außenpolitik zu entwickeln, dürfte eher dem zukünftigen Sicherheitsberater Anthony Lake zufallen, einem 53jährigen Professor für internationale Beziehungen am Mount Holyoke College in Massachusetts. Lake war nach dem Wahlsieg Carters für die Bildung dessen außenpolitischen Teams zuständig und war im Außenministerium von 1976 bis 1981 für Politikplanung zuständig.

Zusammen mit Berger, Christopher und Albright, die unter Carter im Nationalen Sicherheitsrat mitarbeitete, hat Lake im Wahlkampf Clintons außenpolitische Positionen formuliert: mehr Hilfe für Rußland, härtere Handelssanktionen gegen die VR China, mehr Vorrang für US-Interessen bei internationalen Handelsabkommen sowie mehr Schutz für die Muslime in Bosnien und ein konsequenteres Vorgehen gegen die serbische Regierung von Slobodan Milošević.

Was immer von diesen Wahlkampfslogans übrigbleibt, eines ist klar: Clintons außen- und sicherheitspolitisches Team tendiert sehr viel mehr zum militärischen Eingreifen in Bosnien-Herzegowina als dies in der Bush-Administration der Fall ist. Mit Les Aspin wird ein Kongreßabgeordneter Verteidigungsminister, der mehrfach den Einsatz militärischer Gewalt befürwortet hat, um die sogenannten „ethnischen Säuberungen“ zu stoppen. Damit wäre der erste Konflikt des neuen Verteidigungsministers mit seinem ranghöchsten Militär, General Colin Powell, bereits vorprogrammiert. Powell ist einer der maßgeblichen Gegner einer militärischen Intervention im ehemaligen Jugoslawien.

Aspin, gelernter Ökonom, hat im Pentagon nicht den allerbesten Ruf, weil er in seinen Jahren als Mitglied und zuletzt Vorsitzender des Verteidigungsausschusses im Repräsentantenhaus immer wieder Verschwendungssucht im Verteidigungsministerium angeprangert hat. Allerdings gilt der Demokrat aus dem US-Bundesstaat Wisconsin keineswegs als Liberaler. Er befürwortete unter anderem das MX-Raketenprogramm Ronald Reagans und zählte zu jenen Demokraten, die von Beginn an George Bushs Golfkrieg-Politik unterstützten. Ergo attestiert ihm auch der noch amtierende Verteidigungsminister Dick Cheney beste Voraussetzungen für den neuen Posten – auch wenn ihm die Kürzungsvorschläge seines Nachfolgers zu weit gehen. Im Gegensatz zu Cheney ist Aspin ein Militärfachmann, der sich intensiv mit Rüstungskonversion beschäftigt hat. Diese Expertise wird vonnöten sein für Aspins erklärtes Ziel, das US-Militär in kleine, mobile „High-Tech“-Einheiten umzustrukturieren. Andrea Böhm

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