: Erbstreit um eine Milliarde Dollar
Alle wollen über Athina Onassis (7) verfügen/ An der Erbin zerren ihr französischer Vater und die Vermögensverwalter in Athen/ Vom „latin lover“ zum „latin father“ zum „latin flopp“? ■ Von Takis Gallis
Vielleicht war es verletzte Eitelkeit, die ihn zur Weißglut brachte. Vor allem aber war es der ramponierte Vaterstolz. „Ich bin wohl kein Grieche, und dennoch, ob es einem paßt oder nicht, bin ich durch und durch Vater“, entrüstete sich unlängst Thierry Roussel in einem Interview für das französische Wochenblatt Paris Match. „Meine Erziehung gab mir einen lateinischen Charakter, was heißt, daß der Vater eine herausragende Bedeutung hat und sich immer bei seinen Kindern Respekt verschaffen muß.“
Der latin lover als latin father. Der Playboy und Ex-Gatte der griechischen Milliardärin Christina Onassis, die 1988 verstarb, kämpft jetzt um die gemeinsame Tochter, die siebenjährige Milliardenerbin Athina.
Der halbe Kampf ist bereits gewonnen. Athina befindet sich seit einigen Wochen unter väterlicher Obhut, im schweizerischen St. Moritz. Dort holt sie nach, was ihr in ihrem früheren Domizil auf der griechischen Insel Skorpios versagt war: sie kann unbeobachtet spielen und lachen. Auf Skorpios, so Roussel, war sie dauernd von herzlosen Bürokraten und ängstlichen Hausmädchen umringt. Jetzt kann sie „die tägliche Zärtlichkeit genießen, welche das Glück ausmacht.“ Familiäre Wärme wird von den drei kleinen Halbgeschwistern und der schwedischen „Maman Gaby“, der neuen Frau von Thierry Roussel gespendet. Das stärkt das zuvor mangelnde Selbstbewußtsein: Athina hat es bereits zur Führerin der lokalen Bande von Gleichaltrigen gebracht. Was noch fehlt, ist die Erbschaft. Der kleinen Athina winkt, nach vorsichtigen Schätzungen, mehr als eine Milliarde Dollar. Die liegen freilich nicht in Banksafes, sondern sind ertragbringend in Öltankern und Liegenschaften angelegt. Davon hat sie allerdings zur Zeit nicht allzuviel. „Das reichste Kind der Welt“ (Time) wird erst mit dem achtzehnten Lebensjahr uneingeschränkt über ihren Reichtum verfügen können.
Bis dahin wird das Riesenvermögen von einem fünfköpfigen Gremium verwaltet, in dem ihr Vater, als einziger Nicht-Grieche, hoffnungslos in der Minderheit ist.
Die Idee für die Schaffung des Gremiums hatte Christina Onassis von ihrem Vater übernommen. Der legendäre Dynastiegründer Aristoteles Onassis hatte ihr, der damals noch Unmündigen, seine vier besten Berater zur Seite gestellt. Die Maßnahme hatte Erfolg. Die Treuhänder, in Griechenland auch als „Viererbande“ bekannt, gaben der Firma neuen Schwung und Christina das notwendige Know-How, um später, als die Zeit kam, die Geschäftsführung übernehmen zu können. Vater-Onassis war allerdings einen Schritt weitergegangen, und hatte Christina nur die Hälfte seines Imperiums vermacht. Die andere Hälfte wurde einer Stiftung übergeben, die vorwiegend im Ölgeschäft engagiert ist. Auch diese Firma, die ebenfalls von der „Viererbande“ geleitet wird, weist fette Gewinne aus. Was nicht reinvestiert wird, fließt einem Fond zu, der für die Finanzierung von wissenschaftlichen Projekten und Spitälern verwendet wird. Auch die hochdotierten Onassis- Preise, die alle zwei Jahre vergeben werden, stammen aus diesem Fond. Preisträger sind Leute, die es eher nicht nötig haben, wie Delors, CNN-Turner, Kissinger...
„Seit 1975 haben wir mehr als 120 Millionen Dollar für soziale Zwecke ausgegeben“, rechnet im Gespräch mit der taz der Vorsitzende der Stiftung und „starke Mann“ des Onassis-Clans, Stelios Papadimitriou, vor. Eine Anstalt für das Guinness-Buch der Rekorde, in welcher Athina, wenn sie einundzwanzigjährig ist, wie testamentarisch verfügt, die Führung auf Lebenszeit übernehmen wird.
Thierry Roussels Kampf gilt also nur jener Vermögenshälfte, die seiner Tochter direkt gehört. Und davon wiederum nicht alles. „Ich möchte nur das haben, was mir nach dem Gesetz als Vater zusteht, nämlich die Hälfte“, erklärt er, und beruft sich dabei auf die französische Gesetzgebung. Der Haken dabei: das Testament von Christina Onassis ist in der Schweiz gemacht worden und dort sollen ganz andere Bräuche gelten, behaupten zumindest Roussels griechische Gegenspieler.
Gegen die Spaltung des Unternehmens führen die Griechen auch pragmatische Gründe ins Feld. „Die Amputierung würde die gesamte Firma, auch die Stiftung, aus dem Gleichgewicht bringen, weil alle Firmenteile wie in einem Wirtschftskonglomerat eng miteinander verbunden sind“, erklärt Papadimitriou. „Aber Monsieur Roussel scheint von solchen Sachen nichts zu verstehen.“
Was Roussel sicher gut versteht, ist die Presse in Atem zu halten. Seine Story hat bereits mehrmals die Titelseiten der Massenmedien in Frankreich und Griechenland geziert, die „griechisch-französiche Querelle“, so Paris Match, zieht immer weitere Kreise.
Mittendrin befinden sich auch die Regierungen der beiden Länder. Für Paris wäre ein Überlaufen der onassischen Flotte das gefundene Fressen – für das von der Wirtschaftskrise geschüttelte Griechenland ein Desaster. Offiziell verweisen die Griechen noch auf die Zuständigkeit der Gerichte, inoffiziell versichern sie, daß sie eher die Flotte versenken würden, als sie den Franzosen zu überlassen.
Für deren Verteidigung sorgt allerdings am besten die „Viererbande“. „International sind es sicher die gerissensten Geschäftsleute“, versichert ein Branchenexperte. „Sie sind es, die Onassis über Jahrzehnte hinaus geholfen haben, trotz seiner mafiösen Geschäfte, eine reine Weste vorzuweisen. Und nur dank ihnen konnte er seinen Kopf aus der Schlinge, in die ihn die amerikanische Justiz in den sechziger Jahren drängen wollte, heraushalten.“
Roussel ist auf jeden Fall gewarnt. „Ich weiß nicht, welche Pfeile er in seinem Köcher hat, aber unser Gegenschlag wird unerbittlich und vernichtend sein“, drohte unlängst in der Athener Zeitung Eleftheros Typos Papadimitriou.
Pauvre Roussel. Gegen solche Übermacht scheint er machtlos. Dabei will er nur einen einfachen Vatertraum erfüllen. „Wenn mein Kind 18 Jahre alt wird“, schwärmt er, „möchte ich ihm sagen: Hier ist der Schlüssel zu deinem Vermögen. Es ist das Ergebnis der Erbschaft und meiner Arbeit: mach das Beste daraus.“
Was aber, wenn das Gericht nein dazu sagt? Es wäre sicher seiner Erziehung unstandesgemäß, wenn er letztlich vor seiner Tochter statt als „latin father“ als „latin flopp“ dastehen würde.
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