Berge wachsen in den Himmel

■ Mount Everest wächst noch / Göttinger Wissenschaftler: 100 Meter dürften's noch sein

Berge wachsen in den Himmel

Mount Everest wächst noch / Göttinger Wissenschaftler: 100 Meter dürften's noch sein

Der höchste Berg der Erde, der Mount Everest in Tibet, wird alle sechs Jahre einen Meter höher. Warum das so ist, fand jetzt der Göttinger Geograph Prof. Matthias Kuhle heraus. Vor drei Jahren hatte das Team des italienischen Geographie-Professors, Ardito Desio, nach einer Vermessung mit Hilfe von Satelliten den Berg vermessen. Und es stellte sich heraus: Der Mount Everest ist nicht, wie es seit 90 Jahren in den Atlanten steht, 8.848 Meter, sondern 8.872 Meter hoch.

Desio war ratlos. Meßfehler in solcher Größenordnung schieden aus. Die Ursache mußte eine andere sein. Konnte ein Berg, von dem normalerweise Material abgetragen wird und in die Täler gelangt, wachsen? Die Erklärung hat nun der Göttinger Kuhle gefunden, der international mit seiner neuen Theorie zur Entstehung der Eiszeiten anerkannt ist.

Der Mount Everest hebe sich noch immer, nachdem er von der Last der bis zu 2.000 Meter dicken Vereisung in der letzten Eiszeit vor 30.000 bis 20.000 Jahren befreit worden ist, glaubt der Göttinger Geograph. Denn unter dem ungeheuren Gewicht des Eises von 200 Kilogramm pro Quadratzentimeter habe die Erdkruste damals nachgegeben. Bei der „Beladung“ Tibets mit bis zu 2.000 Meter dicken Eis sei der Erdmantel um 600 Meter niedergedrückt worden.

Jetzt, nachdem die dichte Vergletscherung vom 4.000 bis 5.500 Meter hohen Plateau Tibets und vom Pamirplateau geschmolzen ist, hebt sich das Massiv wieder um jährlich bis zu 17,5 Zentimeter. Diese kontinuierliche Hebung habe vor 12.000 Jahren, als der Schmelzprozeß der letzten Eiszeit abgeschlossen war, begonnen. „Kein Mensch weiß es, aber nach meiner Einschätzung“, so der Göttinger Geograph, „wird der höchste Berg der Erde und das ihn umgebende Südtibet noch um über hundert Meter wachsen.“

Kritiker der Theorien Kuhles behaupten, im subtropischen Tibet sei es viel zu heiß und zu trocken, als daß so mächtige Eisansammlungen überhaupt entstanden sein konnten. Doch Kuhle läßt sich nicht beirren: „Ich kann meinen Professorenkollegen nicht sagen, schnallt euch einen Rucksack auf, kommt mit in die Berge und seht es euch an.“

Er selbst sei monatelang auf den höchsten Bergen der Welt herumgekraxselt, um seine Theorie zu belegen, und habe die Beweise gefunden: Von dickem Eis rundgeschliffene Berggipfel und riesige Steine anderer geologischer Zusammensetzungen, die bis über hundert Kilometer von den Gletschern transportiert worden waren.

„Alle neuen Theorien schaffen Unbequemlichkeiten“, weist er seine Kritiker zurück. Und er kann recht haben: Auch der Geograph Alfred Wegener, der 1913 erstmals auf die Kontinentaldrift hinwies, nach der Afrika und Südamerika einmal als ein Riesenkontinent zusammengehangen haben, galt für den Rest seines Lebens als Spinner.

lni