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Es steht schlecht um die Umweltbewegung

■ betr.: "Die Mühen der Minister und der Basis", taz vom 19.12.92

betr.: „Die Mühen der Minister und der Basis“, taz vom 19.12.92

[...] Es wird Zeit, daß die Grünen in Westdeutschland noch genauer unseren ostdeutschen Mitmenschen zuhören müssen, um die in 40 Jahren gewachsenen Strukturen, Standpunkte und Werte verstehen zu lernen. Außerdem müssen Ökologie und Ökonomie miteinander unzertrennlich verknüpft werden. Die ökologisch/sozialen Spannungsfelder dürfen dabei jedoch nicht vernachlässigt werden.

Um dieser globalen Herausforderung gewachsen zu sein, bedarf es der Bereitschaft, auf vertraute Positionen zu verzichten und neue Wege im Diskurs mit der Gesellschaft zu beschreiten. Dabei muß auch endlich der linksextreme Ballast bei den Grünen zum Wohle der gemeinsamen Sache über Bord geworfen werden. Justus Scharnagel,

Vorstandsmitglied der Grünen,

Köln-Mülheim

Es steht schlecht um die Umweltbewegung in Deutschland. Im Osten hatte der Umweltschutz eh nur eine geringe Verankerung im öffentlichen Bewußtsein, und auch viele derjenigen, die sich seiner als DDR-Opponenten bedienten, erwiesen sich nach der Wende als ökologisch unterbelichtet. Mit dem ständigen Hinweis auf den „sozialen Super-Gau“ in Ostdeutschland wird dann nicht nur für den Weiterbetrieb verschiedener „Dreckschleudern“ gearbeitet, sondern zum Beispiel auch eine allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung auf Autobahnen abgelehnt (Ampel-Koalition Brandenburg).

Im Westen sind inzwischen einige der über die Umweltbewegung auf Landesebene in Amt und Würden gekommenen Personen zu bloßen Karikaturen eines Umweltpolitikers auf Töpferschem Niveau verkommen (Leinen) beziehungsweise auf bestem Wege dahin (Griefahn), oder sie kündigen nach kurzer Amtszeit ihren baldigen Wechsel auf die Bonner Bühne an (Fischer). Durchaus verständlich ist es, wenn Leute wie Fischer es leid sind, den Bau von Sondermüll-öfen und Strom- Überlandleitungen anzuordnen, sich ansonsten aber weitgehend auf PR-Aktionen beschränken zu müssen. In hohem Maße problematisch ist allerdings, daß sie nicht die eigene Erfolglosigkeit eingestehen, sondern der Bevölkerung weiter suggerieren, die Umwelt sei in „guten Händen“. Fischers jüngster, in Buchform vorliegender Versuch, das umweltpolitische Auf-der-Stelle-Treten theoretisch zu rechtfertigen („es geht“ – bei der Weiterentwicklung von Staat und Gesellschaft – „nurmehr um die Stellen hinter dem Komma“), darf nicht von der Erkenntnis ablenken, daß der rasant wachsende ökologische Problemberg radikale Veränderungen unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems notwendig macht.

Die Umweltbewegung wird nur vorankommen, wenn sie über intensive Kampagnenarbeit ihre Mobilisierungsfähigkeit (wieder) erhält. Rot-grüne Minister stehen dabei nur im Wege. Richard Kallok, Kaufungen

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