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Also stürzt, wer Böses tut

■ „Don Giovanni“ im Großen Haus des Stadttheaters Bremerhaven

Hohe Wände suggerieren ein raumgreifendes Renaissance- Mauerwerk. Zwischen die beweglichen Elemente werden schräg geschnittene Wände aus blauem oder schwarzem Stoff eingezogen. Der fahlblaue Himmel im Hintergrund kann schwarz geschlossen werden. Mit sparsamsten Mitteln hat der Bühnenbildner Wolf Gross für die Bremerhavener Inszenierung von Mozarts „Don Giovanni“ ein Bild entwickelt, das den Raum bis auf wenige realistische Zitate abstrakt beläßt. Hier läßt der Regisseur Felix Dieckmann zwei Prinzipien „überzeitlichen Charakters“ aufeinander stoßen: Don Giovanni vekörpert das Prinzip Lust, der Komtur das Prinzip Moral. Nach Don Giovannis Höllensturz schließt sich der „graue triste Himmel des bürgerlichen Alltags“ über dem „Sendboten der Lust“. Felix Dieckmann zeigt die beiden Gegner zum Schluß als Menetekel auf der Rückwand der Bühne. Die Zurückbleibenden betrachten das Bild nach ihrem Finale (“Also stürzt, wer Böses tut“) mit gemischten Gefühlen, denn der Aussteiger unter den Fürsten war „Mitwisser ihrer Verführbarkeit und Schwäche“.

In dieser abstrakten Konstruktion bleibt wenig Platz für sinnliches Spektakel. Dieckmann reduziert den Stoff auf eine intellektuelle Auseinandersetzung, die mit statischen Figurengruppen und Tableaus angezeigt wird. Ein Teil des Premierenpublikums reagierte mit Buhrufen. Beifall gab es dagegen für das Städtische Orchester unter Leo Plettner präsent und zügig musizierte und ein stimmlich ausgewogenes SängerInnen-Ensemble begleitet.

Zwar agiert Thomas Meyr in der Rolle des Don Giovanni wie ein unbeholfener junger Mann, dem es an erotischer Ausstrahlung mangelt — weder der raffinierte Verführer noch der müde Held sind ihm zu glauben —, aber seine Stimme macht das etwas unsichere Spiel vergessen. Zum Helden der Inszenierung wird der Diener Leporello. Andreas Macco gibt der „Volksausgabe des Verführers“ in Stimme und Spiel überzeugend die Züge des Kommödianten, der seinem Herrn mindestens ebenbürtig ist. Neben den beiden Protagonisten glänzt die Japanerin Minako Futori als mädchenhaftkesse Zerlina. Wiktor Mikolaj singt den Tölpel Masetto und überrascht zum Schluß als überlebensgroßer grimmiger Komtur, der vom Sockel herab das Lustprinzip verdammt.

„Don Giovanni“ in Bremerhaven: kein neuer, kein genialer Wurf, aber eine Inszenierung, die sich insbesondere hören lassen kann. Hans Happel

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