: Erich Honecker
■ betr.: "Der Prozeß als Strafersatz", taz vom 23.12.92
betr.: „Der Prozeß als Strafersatz“ von Matthias Geis,
taz vom 23.12.92
[...] Es ist schon verwunderlich, daß sich die Geschichte zumindest insofern wiederholt, als daß es immer wieder Gründe gibt, Hauptschuldige als Angeklagte dem Strafverfahren zu entziehen. Die Bundesrepublik litt Jahrzehnte unter einer nicht konsequent stattfindenden Entnazifizierung. Beispiele aus der gehobenen Wirtschaftskriminalität gibt es ebenso zu genüge. Nur eine Stufe unter dem Prominenz-Niveau gelten dann wieder die alten Justiz-Prinzipien; dem neulich zu sechs Jahren Haft Verurteilten Mauerschützen wird Herr Geis das sicherlich erklären können. [...]
Was soll eigentlich der Verweis erklären, es handele sich um einen politischen Prozeß? Erich Honecker steht nicht vor Gericht, weil ihm vorgeworfen wird, in der falschen Partei gewesen zu sein. Er steht vor Gericht, weil er maßgeblich daran beteiligt war, die Farce der „freiheitlich, demokratischen“ Republik im In- und Ausland zu verbreiten, weil er maßgeblich daran beteiligt war, die Genfer Menschenrechtskonventionen anzuerkennen und diese gleichzeitig im eigenen Lande mit den staatlich-institutionellen Füßen trat bis hin zur psychischen oder physischen Vernichtung vieler Menschen.
Viele andere Politiker sind in diesem Kontext mit Schuld beladen, aber darum geht es hier nicht. Erich Honecker hat lange Zeit als Regierender hervorragend gelebt, was man von den Regierten nur bedingt behaupten kann. Soll er nun gradestehen dafür (solange er noch kann). Das klingt nicht sehr human, ist aber letztlich die Konsequenz des positiven Rechts und zumindest für mich leichter zu ertragen als: Schwamm drüber. Ande Hörmann,
Frankfurt am Main
Eine Koalition, die was bewegt: taz.de und ihre Leser:innen
Unsere Community ermöglicht den freien Zugang für alle. Dies unterscheidet uns von anderen Nachrichtenseiten. Wir begreifen Journalismus nicht nur als Produkt, sondern auch als öffentliches Gut. Unsere Artikel sollen möglichst vielen Menschen zugutekommen. Mit unserer Berichterstattung versuchen wir das zu tun, was wir können: guten, engagierten Journalismus. Alle Schwerpunkte, Berichte und Hintergründe stellen wir dabei frei zur Verfügung, ohne Paywall. Gerade jetzt müssen Einordnungen und Informationen allen zugänglich sein. Was uns noch unterscheidet: Unsere Leser:innen. Sie müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 50.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Es wäre ein schönes Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen