: Boris und George sind sich nah
■ Die beiden Präsidenten bejubeln den Start-II-Vertrag, zu Jugoslawien fällt ihnen dagegen nicht Neues ein/ USA wollen Ukraine bei Atomwaffenabbau unterstützen
Moskau (AFP/dpa/taz) – Zwei Staatsmänner feiern sich selbst: Als Boris Jelzin im Facettensaal des Moskauer Kreml am Samstag abend das Glas auf einen „fröhlichen und glücklichen George“ erhob und den Start-II-Vertrag als „unser Weihnachtsgeschank an die Völker“ pries, da wollte auch der US-Präsident nicht zurückstehen – und begann zu dichten: „Mitten im Chaos des Wandels“ hätte der Mann, „der auf einen Panzer stieg“, selbst „über eine weite Telefonverbindung sanft von der Freundschaft gesprochen“.
Weitaus einsilbiger gaben sich die beiden Präsidenten dagegen, als sie von ihren Gesprächen über den „Krisenherd Balkan“ berichteten. „Unsere Positionen bei der Lösung des Konfliktes sind sehr nah“, bekräftigte Bush nichtssagend, und auch Jelzin sprach davon, daß beide Regierungen „sehr nah zusammen sind“. Doch wolle Rußland künftig seine Linie der friedlichen Beilegung etwas stärker vertreten als bisher.
Ein militärisches Eingreifen in den Bosnien-Krieg würde unvermeidlich zu einer Schwächung Jelzins in Rußland führen, weil es den nationalistischen Gegnern der russischen Führung Argumente für ein Ausscheren aus der westlichen Partnerschaft liefern würde.
Der START-II-Vertrag sieht – zusammen mit dem bereits bestehenden START-I-Abkommen – eine Verringerung der strategischen Atomwaffen beider Seiten bis zum Jahre 2003 auf etwa ein Drittel des gegenwärtigen Standes vor. Nach Erfüllung der Vereinbarungen verbleiben den USA 3.500 Sprengköpfe auf Interkontinentalraketen, U-Booten und schweren Bombern, Rußland reduziert die Zahl der Sprengköpfe auf 3.000. Interkontinentalraketen mit Mehrfachsprengköpfen werden vollständig zerstört.
Erst in der vergangenen Woche war es den Unterhändlern beider Seiten gelungen, die umstrittenen Fragen zu lösen. Rußland kann einen Teil seiner SS-19-Raketen behalten, rüstet diese aber auf Einfachsprengköpfe um. Außerdem müssen – auf Moskauer Wunsch – die Startsilos der schweren Raketen nicht vernichtet, sondern können umgerüstet werden. Auf amerikanischer Seite wird die atomare Bewaffnung der schweren Bomber genauer als jemals zuvor begrenzt und kontrolliert. Erstmals erklärten sich die USA auch zu einer klaren Begrenzung ihrer seegestützten Raketen bereit.
Dennoch enthält der als „Jahrhundertdokument“ gepriesene Vertrag einige Lücken. So wird befürchtet, daß die ukrainischen Nuklearwaffen nicht zerstört, sondern „weiterverbreitet“ werden könnten. In der Ukraine sind noch 176 Atomraketen, 34 Atombomber und 1.200 Sprengköpfe aus Zeiten der UdSSR stationiert. Zwar sagte die Kiewer Regierung die Vernichtung dieses Arsenals zu, macht die Einhaltung der Zusage aber von finanzieller Hilfe in Höhe von 1,5 Milliarden Dollar abhängig. Außer der Ukraine verfügen noch Kasachstan und Weißrußland als frühere Sowjetrepubliken über Atomwaffen. Alle drei unterzeichneten im Mai das START-I-Abkommen, eine Ratifizierung steht in der Ukraine und Weißrußland aber noch aus. Die USA hatten der Ukraine finanzielle Unterstützung für den Abbau ihrer Atomwaffen versprochen, diese wird von der ukrainischen Führung jedoch als nicht ausreichend angesehen.
Kritik erwartet Jelzin außerdem aus den Reihen der konservativen russischen Abgeordneten. „Die Hardliner“ bekämpften „alles Positive“, was in Rußland geschehe. Gleichzeitig unterstrich der Präsident jedoch, daß die Konservativen nicht in der Mehrheit seien. her
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