: Häutungen und Kulturflucht
■ Reggae-Variationen beherrschen den Konzertmonat Januar
-Variationen beherrschen den Konzertmonat Januar
Im tötesten Konzertmonat seit langem regiert das karibische Element die bemoosten Bühnen der Stadt. Von Innovation bis Authentizität, von Reinkarnation bis zur Reaktion reicht die Palette der Reggae- und Ska-Performances im warmen Jänner. Wie beim Sex auch, kommt das Beste gleich zu Anfang.
In Hamburgs verdienstvollster Konzertreihe, den Hörproben im Logo, treffen am 12. Januar zwei Bands aufeinander, welche die letzten Häutungen des Reggae zur Grundlage ihrer Musik gemacht haben und dabei zu sehr unterschiedlichen Ergebnissen gekommen sind. Während Di Iries groovlich überzeugende Dancehall-Hamburgenisien konstruieren, die sie mit Gast-Toastern vollenden wollen, entwickelt der Funk-Soul-Reggae von Dub Me Ruff ein introvertiertes Bilderspiel aus 80er Jahre-Atmosphäre und Flugblatt-Lyrics. Erinnerungen an die Kölner Dunkelziffer werden ebenso wach wie an die halluzinative Rhythmik der Bush Tetras. Mit trittfestem Deutsch-Akzent bildet Sängerin Danielle melidiöse Schlaufen aus etwas dürr-plakativen englischen Polit-Erklärungen. Deren Fettgedrucktheit gewinnt aber durch die schüchterne Vortragsweise eine vorläufige Überzeugungskraft zurück. Wie sich Di Iries live verkaufen werden, bleibt dagegen noch etwas ungewiß, da die ehemals vielköpfige Band in einer neuen Schrumpfform sicherlich einiges an Technik oder/ und spielerischen Fertigkeiten auffahren muß, um den dichten, spannenden Sound zu halten, mit dem sie einst das Hamburger Jubel-Diplom verdienten.
Drei Tage später stellt eine weitere Hamburger Formation ihre Mini-LP im Trockendock vor. Doch One-Drop-Posse, ein Kollegium von Jah-Man-Referendaren, hat sich in eine hermetische Fremd-Kultur bis zur Selbstaufgabe verstockt und versucht, mit Dreadlocks und UB40-Mißgeburten eine echte Roots-Reggae-Combo zu sein. Das Resultat dieser spießbürgerlichen Kulturflucht ist eine 5-Track-EP aus funktionsuntüchtigen Protesen, die im besten Fall vernünftig gespielt sind. 1
2Vielleicht sollte man der Band zur LP-Präsentation einen Eimer Schuhcreme mitbringen.
Selbige und weitere veranstalten am 28.1. in der Markthalle ein Reggae gegen Rechts-Festival. In dem Band-Quartett mit Bass Culture, The Lions und Barettons steht Orginalität neben Diebstahl und ein berechtigtes Anliegen in einer deprimierenden Zeit. Ein Tag weiter erleben älter gewordene Ex-Two-Toner die späte Fusion zweier New- Ska-Cometen unter dem Titel Special Beat. Wer die Frage falsch beantworten kann, welch zwei Ska- Bands hier zur Vereinigung schritten, kann eine One-Drop-Posse-EP gewinnen (Stichwort ODP). Till Briegleb
12.1., Hörproben, Logo, 21 Uhr
15.1., ODP, Trockendock, 21 Uhr
28.1., Reggae-Festival, Markthalle, 20 Uhr
29.1., Special Beat, Markthalle, 21 Uhr
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